Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

166 Vierter Abschnitt: Zusammenwirken von Regierung und Volksvertretung. 8 21. 
  
gesetz vom 31. März 1849 ist das auf gewöhnliche Gesetze erstreckt, so daß jetzt die Initiative 
des Königs und der Stände gleichweit geht. 5) 
Der König kann mit seinem Gesetzesvorschlag nach Belieben zunächst die erste oder 
die zweite Kammer befassen; und ebenso kann das zu einem ständischen Gesetzesvorschlag 
führende Verfahren frei bei der einen wie bei der anderen Kammer eingeleitet werden. 
Eine Ausnahme besteht für solche Gesetze, welche Abgaben oder sonstige Be- 
willigungen zum Gegenstande haben. Hier soll der königliche Vorschlag zuerst an 
die zweite Kammer gehen (Verf.-Urk. § 122). Dem entspricht, daß auch nur die zweite 
Kammer berufen ist, die ständische Initiative zu einem Abgabengesetze in Bewegung zu 
setzen.#) 
Das Schicksal eines zur Beratung der Stände gelangten Entwurfs entscheidet sich nun 
in dem für diese Beratung geltenden Verfahren (unten Nr. 2). 
Ist das Ergebnis die schlichte Ablehnung des von der Regierung gemachten Gesetzes- 
vorschlags, so kann der gleiche Entwurf während des nämlichen Landtages nicht mehr vor- 
gelegt werden (Verf.-Urk. J 95). Ebenso können die Stände einen Gesetzesvorschlag, dem 
die Genehmigung des Königs versagt wurde, während dieses Landtages nicht erneuern 
(Ges. vom 31. März 1849 § 8). Mit Anderungen des Entwurfs, die natürlich wesentliche 
sein müssen, ist der nochmalige Versuch auch vorher zulässig. 
2. Unter der Vorlage eines Gesetzentwurfs versteht man die Herbei- 
führung der Beratung einer Kammer über einen solchen zum Zwecke der Annahme 
durch den Landtag. Das kann geschehen durch einen von der Regierung ausgehenden 
Gesetzesvorschlag oder aus der Mitte einer der beiden Kammern selbst; letzteres nennt 
man das Einbringen des Gesetzentwurfs.)) Ein derartiges Einbringen ist ausge- 
schlossen, so lange der andern Kammer ein vom König ausgegangener oder von Mitgliedern 
eingebrachter Entwurf über den gleichen Gegenstand vorliegt, oder die gleiche Kammer 
noch mit einem königlichen Vorschlag solchen Inhalts befaßt ist (Ges. vom 31. März 1849 
8 4). 
Jedes Kammermitglied kann die Sache in die Hand nehmen. Dann muß es aber vor 
allem die Erlaubnis der Kammer zur Einbringung des Entwurfs erwirken. Antrag darauf 
wird gestellt unter Bezeichnung von Gegenstand, Zweck und Hauptgrundsätzen des Ge- 
setzes; die Kammer beschließt darüber nach den gewöhnlichen Bestimmungen der Ge- 
schäftsordnung. Erteilt sie die Erlaubnis, so wird ihr der ausgearbeitete Entwurf nebst 
Motiven von dem Mitglied vorgelegt, um zunächst weiter beraten zu werden wie ein Gesetzes- 
vorschlag des Königs (Ges. vom 31. März 1849 §§# 1—3). 
Ein Unterschied wird erst wieder bemerkbar, wenn es an die andere Kammer gehen 
5) Verf.-Urk. § 85 Abs. 2 gestattete schon in der ursprünglichen Fassung den Ständen, daß 
sie bei der Regierung auf Vorlage eines neuen Gesetzes antragen. Das können sie jetzt auch noch 
tun und regelmäßig wird es klüger sein, diesen Weg zu wählen als den eines eignen Gesetzesvor- 
schlags. Darüber die zutreffenden Bemerkungen von Opitz, Staats-R. II S. 95 Note 2. 
6) G. Meyer, Deutsches Staats-R. § 158. Diese Folgerung dürfte unabweisbar sein. 
Die Regierung soll in dieser Sache sich nicht die ihr günstige Kammer aussuchen dürfen; findet 
sie aber z. B. die erste Kammer ihrem Vorschlage geneigt, 0 ist es ihr auch leicht, die ständische 
Initiative von dort ausgehen zu lassen und so die Verfassungsvorschrift zu umgehen. 
7) Ges. vom 31. März 1899 & 6. Zum Unterschied vom „Einbringen des Gesetzentwurfs 
in der Kammer“ ist das „Bringen des Gesetzentwurfs an die Kammer“" der Gesetzesvorschlag des 
r“— z die Kammern ihrerseits können Gesetzentwürfe „an den König bringen“ (Verf.-Urk. § 85
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.