Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

8 Geschichtliche Einleitung. 8 4. 
  
gelegentlich der Gedächtnisfeier der Augsburgischen Konfession durch kleine Ungeschicklichkeiten 
hervorgerufen hatten. Es gab hier und da Unruhen, ziemlich zusammenhangslos, aber die Regie- 
rung hielt es für angezeigt, schleunigst alle Maßregeln zu ergreifen, die auf das Volk einen be- 
ruhigenden Einfluß üben konnten. Unterm 13. September 1830 ließ König Anton kund- 
geben, daß er seinen Neffen, den Prinzen Friedrich August, zum Mitregenten angenommen habe. 
Zugleich wurde der bisherige Kabinettsminister, Graf von Einsiedel, entlassen und an seiner Stelle 
Bernhard von Lindenau ernannt. Unterm 18. September wurde dann die Bereitwilligkeit der 
Regierung erklärt zu einer Reform der Verfassung durch Übereinkunft mit den Ständen. 
Dem Geheimen Rat (Staatsrat) wurden alsbald zwei Verfassungsentwürfe 
vorgelegt; den einen hatte der Wirkliche Geheime Rat von Carlowitz, den anderen der Kabinetts- 
minister von Lindenau ausgearbeitet. Namentlich der letztere hatte sich stark an die badische Ver- 
fassungsurkunde angelehnt. Doch wurde nachher mehr das Vorbild der württembergischen Ver- 
fassung maßgebend, die auch ihrerseits einen lebendigeren Zusammenhang mit altständischen Ein- 
richtungen aufzuweisen hatte. Aus den Beratungen des Geheimen Rats ging dann ein dritter 
Entwurf, der endgültige, hervor, der mit königlichem Dekret vom 1. März 1831 dem am gleichen 
Tage eröffneten Landtage vorgelegt wurde.") Der Landtag beriet hierüber in seiner alten Zu- 
sammensetzung und in den alten Verhandlungsformen; verschiedene Abänderungen wurden noch 
vorgeschlagen und zum Teil mit der Regierung vereinbart. Am 2. September endlich erging an 
den König und seinen Mitregenten die förmliche Erklärung: „Indem wir nun, als die dermalen 
verfassungsmäßig bestehenden Stände . uns bereit erklären, in Gemäßheit dieser Vereinigung 
die neue Verfassung anzunehmen, sehen wir der Aushändigung der von Ew. K. M. und. K. H. 
vollzogenen Verfassungs-Urkunde, welche wir nachmals in das ständige Archiv niederzulegen be- 
absichtigen, ehrfurchtsvoll entgegen.“ 
Am 4. September wurde dann „die über diesen wichtigen Vertrag abgefaßte Urkunde"“ den 
Ständen feierlich übergeben, wobei der König und der Mitregent das Verfassungsgelöbnis ablegten. 
Dann begaben sich die Stände im Zuge nach ihrem „Landhaus", um die Urkunde dort im ständischen 
Archiv zu verwahren. „Mit dem heutigen Tage tritt die neue Verfassung in Kraft und Wirksamkeit,“ 
hatte der Minister Nostiz in seiner einleitenden Ansprache erklärt. Erst nachträglich, am 7. Sep- 
tember, wurde sie in der Gesetzsammlung veröffentlicht, zusammen mit dem Landtagsabschied, 
der bestimmt war, erläuternde und ergänzende Bestimmungen hinzuzufügen. — 
Die Idee eines Vertrages trat noch einmal besonders deutlich hervor bei einem Nachspiel, 
das die Sache hatte bezüglich der Oberlausitz. Deren Stände hatten ja in der angegebenen Weise 
an dem Verfassungswerke teilgenommen. Es war aber nicht die Meinung, daß die Verfassung 
deshalb nun ohne weiteres auch für die Oberlausitz gelte; vielmehr wurden in dieser Hinsicht bei 
ihrer Verkündung ausdrücklich weitere Verhandlungen vorbehalten. Demgemäß erfolgte dann 
am 9. Dezember 1832 eine „Übereinkunft“ zwischen der Regierung und den Ständen der Oberlausitz, 
veröffentlicht unterm 17. November 1834 als „Urkunde, die durch Anwendung der Verfassung 
des Königreichs Sachsen auf die Ober-Lausitz bedingte Modifikation der Partikularverfassung 
dieser Provinz betr.“. Da die Verfassung und die von ihr geregelte Gesetzgebung fortan auch für 
die Oberlausitz gelten, „so treten die bisherigen vertragsmäßigen Rechte dieser Provinz und ihrer 
Stände, jedoch nur gegen den Fortgenuß der mit der neuen Verfassung des Königreichs Sachsen 
verbundenen, sowie der in der gegenwärtigen Urkunde besonders ausgedrückten Rechte außer 
Wirksamkeit“ (§ 1). Am Schluß wird unter der Uberschrift „Von dem Wesen dieses Vertrags“ 
noch einmal eine ausdrückliche Folgerung aus dem Vertragsverhältnis gezogen: sobald die Ober- 
Lausitz an der neuen Verfassung nicht mehr vollständig teilnehmen könnte, „so erlangt die bis- 
herige . Verfassung der Provinz von selbst wieder ihre Kraft und tritt ohne weiteres in Wirksam- 
keit“ (J60 der Ubereinkunft). 
Diese Vorbehalte können nicht hindern, daß Sachsen von da an schlechthin als Einheitsstaat 
zu behandeln ist.5) 
§ 4. Fortsetzung. Tas Verhältnis zu Gesamtdeutschland. Als Sachsen bei Untergang des 
alten Reichs widerwillig zum Königreich ward, gab es kein rechtlich geordnetes Deutschland mehr. 
Der Rheinbund, dem es beitrat, war nur ein Deckmantel für die napoleonische Hegemonie; 
seine angebliche Verfassung trat nie ins Leben. 
Dem durch die Bundesakte vom 8. Juni 1815 gegründeten Deutschen Bunde gehörte 
Sachsen als Mitglied an. Es hatte in der Bundesversammlung, wo sie als Engerer Rat beschloß, 
4) Die drei Entwürfe sind abgedruckt bei v. Witzleben, Entstehung der konstitutionellen 
Verfassung S. 330 ff. 
5) Anmerkung siehe S. 9.
	        
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