Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

174 Vierter Abschnitt: Zusammenwirken von Regierung und Volksvertretung. 8 21. 
  
Da es zum Wesen des Erlasses des Gesetzes gehört, schriftlich gemacht zu werden, so 
bringt es notwendigerweise seine Beurkundung mit auf die Welt. Die Ausfer- 
tigung des Gesetzes ist kein besonderer Akt, der nachträglich an die Schaffung des Gesetzes 
sich anschließt. Außerhalb der Urkunde, in welcher es erlassen wird, hat das Gesetz nie 
bestanden. 
Der Erlaß des Gesetzes enthält zugleich die Be zeugung seiner Gültig- 
keit. Bezüglich der nötigen Zustimmung der Stände geschieht das ausdrücklich, im übrigen 
stillschweigend, ohne besondere Erklärung. Der König muß dafür angesehen werden, daß 
er geprüft hat, ob er dieses Gesetz rechtsmäßig erlassen kann, und daß er der Ansicht war, 
er könne es. Dadurch, daß er es erläßt, bekundet er das. Das ist dann aber keine Privat- 
meinung, sondern ein bindender obrigkeitlicher Ausspruch. Alle weitere staatliche Tätig- 
keit ist gehalten, von der Gültigkeit dieses Aktes auszugehen, soweit nicht besondere Zu- 
ständigkeiten zur Nachprüfung begründet sind. Nach Lage der Sache wird die Gültigkeit 
einer vom König unter Bezug auf die ständische Zustimmung erlassenen Anordnung, 
also eines Gesetzes, nur von gerichtlichen Behörden gelegentlich ihrer zuständigen Tätig- 
keit nachgeprüft werden können und auch das nur in Rücksicht ihrer Vereinbarkeit mit 
reichsrechtlichen Ordnungen.5) 
5. „Der König erläßt und promulgirt die Gesetze“ (Verf.-Urk. § 87). 
Die königliche Willenserklärung, Erlaß des Gesetzes genannt, wird abgegeben durch 
Unterzeichnung der Gesetzesurkunde. Um die rechtliche Wirksamkeit zu erhalten, zu der 
sie bestimmt ist, muß sie der Allgemeinheit zur Kenntnis gebracht werden. Das geschieht 
durch die Veröffentlichung. Insofern die Willenserklärung erst in ihr sich voll- 
endet, gehört die Veröffentlichung noch zum Erlaß. 
Der König macht die Veröffentlichung nicht selbst, sondern dazu bestehen besondere 
Einrichtungen, die er nur in Bewegung setzt. Er befiehlt also doch wenigstens die Ver- 
öffentlichung und jedenfalls ist diese ein unterscheidbarer Vorgang im Ganzen des Gesetz- 
gebungsverfahrens. Man hat ihn benützt, um dem dunkeln Wort „promulgirt“ einen 
vernünftigen Sinn zu geben. 
In Wahrheit beruht die Ausdrucksweise des § 87 in diesem Punkt nicht auf tiefer lie- 
genden Absichten, sondern auf mechanischer Nachahmung der maßgebenden Vorbilder. 
Die Badische Verf.-Urk. & 66, der die Sächsische Verf.-Urk. in § 87 und § 88 nachgebildet 
ist, hatte dieses Wort gebraucht (vgl. oben Note 11). Es stammt, wie so vieles, aus der 
u. Berord.-Bl. 1876 S. 317) oder: „Wir . haben mit Zustimmung Unserer getreuen Stände 
beschlossen, eine Jinserhohung usw. eintreten zu lassen, und verordnen demnach andurch, was 
folgt“ (Ges.= u. Verord.-Bl. 1848 S. 158). 
Zu bemerken ist, daß bei den sog. Finanzgesetzen die Formel das Wort „verordnen“ nicht 
enthält; es pflegt nur gesagt zu werden: „Wir . finden uns mit Zustimmung Unserer getreuen 
Stände bewogen das Finanzgesetz auf die Jahre zu erlassen, wie folgt.“ Das hängt 
wohl mit der Besonderheit des Finanzgesetzes zusammen, hinter dem ja die dauernden Steuer- 
gesetze stehen, in welchen der König bereits verordnet hat. Vgl. unten # 24, II Nr. 1. 
25) Der reichsverfassungsmäßige Vorrang des Reichsgesetzes kann für den Richter selbstver- 
ständlich durch die Staatsgewalten auch dadurch nicht beeinträchtigt werden, daß sie widersprechende 
Gesetzesbestimmungen für nicht widersprechend erklären. Darüber hinaus bleibt auch die Prü- 
fung der gehörigen Veröffentlichung frei, weil von jener Gültigkeitsbezeugung unberührt. — 
Solche Gültigkeitsbezeugung ist keine Besonderheit des Gesetzes, jeder obrigkeitliche Akt bringt 
sie selbstverständlich mit sich. Nur die Nachprüfungsrechte gehen mehr oder weniger weit. Bgl. 
Otto Mayer, Deutsch. Verw.-R. 1 S. 281; Literatur bei G. Meyer-Anschütz, Deutsch. 
Staats-R. 173 Note 17.
	        
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