Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

g21. Das Gesetzgebungsverfahren. 175 
  
Charte constitutionnelle von 1814. Dort hatte es aber seinen wohlverständlichen Sinn: 
es sollte dadurch die Spaltung abgelehnt werden, welche die vorausgehenden, oft sehr 
wunderlichen Verfassungen im Gesetzgebungsverfahren angebracht hatten. Vor allem 
war das der Fall gewesen bei der Konsulatsverfassung, die das Kaiserreich einleitete: 
die eine Stelle beschloß („dekretierte“) das Gesetz, die andere übte eine Art Aufsichtsrecht 
darüber, indem sie erst prüfte, ob auch alles in Ordnung sei und erst dann das Gesetz hinaus- 
gehen ließ; das nannte man promulgation. Diese Künstelei soll nicht mehr sein; daher: 
le Roi seul sanctionne et promulgue les lois.20) 
Etwas Greifbares war für diese Promulgation nicht mehr zu finden, darum verstand 
man sie in Frankreich sehr bald als Publikation.:)) Die Württembergische Verfassung 
übersetzt einfach mit „verkündet"“. In Baden wird das „promulgirt“ in gleichem Sinne 
verstanden.3) Dementsprechend auch in Sachsen, wenn man dem Erlassen des Gesetzes 
überhaupt noch etwas hinzufügen will, spricht man, statt von promulgieren, von veröffent- 
lichen oder publizieren.?7) — 
Wenn man demnach annimmt, daß die Verf.-Urk. dem König die Veröffentlichung 
der Gesetze zuschreibe, so darf man doch auch wieder dieses Ergebnis nicht überschätzen. 
Die Veröffentlichung des Gesetzes muß selbstverständlich gemacht werden; das gehört 
noch zum Erlassen. Es war also gar nicht notwendig, es zu sagen. Die Notverordnung, 
die nach § 88 erlassen wird, muß auch veröffentlicht werden. Dort ist nichts davon gesagt, 
weil die französische Verfassung kein Vorbild gab, und es geschieht doch geradeso. 
Ferner: die „Promulgation“, die der König machen soll, kann nur in dem Befehl zur 
Veröffentlichung geschehen. Ein solcher Befehl tritt niemals in selbständiger Gestalt auf. 
Es ist ein Dienstbefehl an die Minister. Er wird nicht schriftlich erteilt, auch nicht ausdrück- 
lich. Wenn der Minister dem König die vorbereitete Gesetzesurkunde vorlegt und dieser 
unterschreibt, so weiß er, was er zu tun hat: der König gibt durch den Erlaß des Gesetzes 
stillschweigend den Veröffentlichungsauftrag. — 
Die Veröffentlichung der Gesetze erfolgt ausschließlich und ausreichend durch Ab- 
druck im „Gesetz= und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen“ und Ausgabe 
des Stückes, das den Abdruck enthält. Die im Jahre 1818 gegründete „Gesetz-Sammlung“ 
erhielt durch Verord. vom 28. Dezember 1831 den Namen „Sammlung der Gesetze und 
26) Über die Vorgeschichte: Merlin, rvépertoire Art. loi & IV. Eine besondere „promul- 
gation“ hat nach der Charte nie stattgefunden: Lajuinais, constitutions I1 N. 328. 
27) Lukas, Gesetzespublikation S. 111. — In der Theorie hält man daran, die Promul- 
gation noch als etwas begrifflich Unterschiedenes hervorzuheben. Soll sie doch sogar kein Akt der 
gesetzgebenden Gewalt sein, sondern un acte du pouvoir exécutif, qui rend la loi exécutoire. 
28) Glockner, Bad. Verf.-R. S. 147. 
29) So wird bei v. d. Mosel, Handwörterbuch des Sächs. Verw.-R., Art. Gesetzgebung, 
der Text des § 84 ohne weiteres wieder gegeben mit: „der König erläßt und veröffentlicht die Ge- 
setze mit Bezug usw.“ Ahnlich Fricker, Grundriß, S. 167f. Das hat übrigens in Deutschland 
Anlehnung an den Sinn des Wortes Promulgation schon im älteren Recht: Häberlin, 
Teutsch. Staats-R. II S. 162. Vgl. auch Lukas, Gesetzespublikation S. 113; Klüber, 
Off. Recht S. 556; Jellinek, Ges. u. Verord. S. 323. — 
Die Ausfertigung der Reichsgesetze, die nach Reichs-Verf. Art. 17 dem Kaiser zusteht, hat 
Laband, Staats-R. des Deutsch. Reichs 1. Aufl. II S. 41ff., Gelegenheit gegeben, die ältere 
französische Promulgationsidee wieder aufleben zu lassen. Opitz, Staats-R. II S. 99, will 
damit auch die Auslegung des & 87 Verf.-Urk. gewinnen. Es scheint aber, daß die „Ausfertigung“, 
die nach der Reichsverfassung dem Kaiser zusteht, viel mehr aus dem Zusammenhang des Bundes- 
verhältnisses und der kaiserlichen Vorzugsstellung verstanden werden muß; von einer Übertragung 
auf Sächsisches Recht sollte man daher absehen. 
 
	        
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