8 22. Das Verordnungsrecht. 185
Ministerien nach Ges. v. 15. April 1884 51 ebenda, statt im Gesetz= u. Verord.-Bl. ver-
öffentlicht werden. Für die unteren Verwaltungsbehörden und für Gemeinde= und
ortspolizeiliche Angelegenheiten bestimmt das gleiche Gesetz § 3 und §4 als Veröffentlichungs-
arten die Bekanntmachung im Amtsblatt und den Anschlag im Amtslokale.
Nicht alles, was im Gesetz= und Verordnungsblatt erscheint und sachlich eine Ver-
ordnung ist, tritt auch unter diese m Namen dort auf. Insbesondere erscheint
dort der Name „Bekanntmachung“ öfters, wo nach Inhalt und Rechtsbedeutung der
Willenserklärung eine echte Verordnung vorliegt.:2) Man ist also genötigt, nach diesen
sachlichen Gesichtspunkten zu unterscheiden.
3. Noch mehr ist das erforderlich im umgekehrten Sinn: nicht alles, was im Gesetz-
und Verordnungsblatt steht und sich Verordnung nennt, ist eine solche in dem hier fest-
zuhaltenden strengen staatsrechtlichen Begriffe.
Unter dem Namen Allerhöchste Verordnung erscheinen geradezu überwiegend Ver-
fügungen des Königs, die gar nicht daran denken, Rechtssätze aufstellen zu wollen, sondern
einfach eine wichtige Anordnung treffen für ein einzelnes bestimmtes Rechts-
verhältnis.-:s) Auch die „Verordnungen“" der Minister geben keineswegs immer
allgemeine Regeln, die als solche fähig sein könnten, Rechtssätze vorzustellen, sondern
befassen sich mit dem bestimmten Einzelfall, mit der einzelnen staatsrecht-
lichen Begebenheit. Sie ordnen z. B. Ergänzungswahlen an für die Landstände.
Oder sie erklären, daß ein bestimmtes Unternehmen ausgestattet sein soll mit dem Ent-
eignungsrecht.4)
Derartige obrigkeitliche Anordnungen für den Einzelfall sind als solche wesensver-
schieden von dem in allgemeinen Regeln sprechenden Gesetz und der ihm hierin gleich-
stehenden Verordnung. Wir bezeichnen sie im Gegensatze dazu als konkrete An-
ordnungen, Einzelakte, Verwaltungsakte, Verfügungen.
4. Wichtig vor allem aber ist, daß so wenig, wie die Verfassungsurkunde selbst, das
Gesetz= und Verordnungsblatt die rechtssatzschaffende Verordnung wohl getrennt hält
von anderen obrigkeitlichen Vorschriften allgemeiner Art.
Solche Vorschriften sind von jeher wirksam gegeben worden für wechselnde Menschen-
gesamtheiten, die in ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis (Gewaltverhältnis) dem.
Staate gegenüber getreten sind, sei es, daß sie geradezu in seinem Dienste stehen, sei es,
daß sie bei Benutzung seiner Anstalten sich den dafür gegebenen Ordnungen zu fügen
haben. Die Dienstgewalt und die Ordnungsgewalt der Anstalt äußert sich ihnen gegen-
über in Verhaltungsregeln, die ihnen gegeben werden: Dienstan weisungen
22) Beispiele von „Bekanntmachungen“ mit Rechtssatzinhalt im Ges.= u. Verord.-Bl. 1865
S. 74, S. 623 und S. 682. Verordnungen, die auf Grund der Gewerbeordnung erlassen werden,
übernehmen deren Ausdrucksweise wörtlich und nennen sich „Vorschriften“: vgl. Ges.= u. Verord.=
Bl. 1902 S. 350, 1903 S. 486.
23) Die Jahrgänge 1901 bis 1907 des Ges.= u. Verord.-Bl. enthalten im ganzen 14 Allerh.
Verordnungen; darunter können 4 Amnestieverkündungen und eine, die Anerkennung nichtsäch-
sischen Adels betr. v. 19. September 1902, als wirkliche Verordnungen angesehen werden. Die
anderen 9 sind Einzelverfügungen, in der Mehrzahl Ernennungen zur ersten Kammer.
24) Die „Enteignungsverordnungen“ sind eine sehr häufige Erscheinung im Ges.= u. Verord.=
Bl. So nennen sie sich, in Ubereinstimmung mit dem Gesetz v. 24. Juni 1902 auch jetzt noch, ob-
wohl dieses als ihren Inhalt ausdrücklich die „Verleihung des Enteignungsrechtes“ an den Unter-
nehmer, also einen zweifellosen Verwaltungsakt bezeichnet (a. a. O. J2 Abs. 2). — Sonstige Bei-
spiele aus Ges.= u. Verord.-Bl. 1901 S. 140: „Verordnung“, daß eine Ergänzungswahl statt-
finden soll; S. 149: „Verordnung“ zur Ernennung von Kommissarien.