8 23. Der Staatsvertrag in staatsrechtlicher Hinsicht. 187
823. Der Staatsvertrag in staatsrechtlicher Hinsicht. Der Staatsvertrag als Vertrag
zwischen Staaten steht unter den Regeln des Völkerrechtes. Das Staatsrecht gibt
aber einerseits Bedingungen des rechtmäßigen Abschlusses, andererseits richten
sich nach ihm die rechtlichen Voraussetzungen seiner Durchführung im staatlichen
Machtgebiet.
I. Für den Abschluß des Staatsvertrages bestehen in Sachsen keine besonderen Vor-
schriften. Danach führt alles von selbst zurück auf die Person des Königs, der in sich
alle Rechte der Staatsgewalt vereinigt. 1) Er ist der ordentliche Vertreter des staatlichen
Gemeinwesens für seine Rechtsbeziehungen nach außen, das Staatshaupt im
Sinne des Völkerrechts. Wer sonst noch den Staat bei Vertragsabschluß vertreten soll,
kann es nur tun aus Vollmacht des Königs. Zugunsten des Ministeriums der auswärtigen
Angelegenheiten besteht völkerrechtlich die Vermutung einer umfassenden Vollmacht.
Außerdem ist gemäß Verord. v. 7. November 1831 jedes Ministerium berufen, die in seinen
Dienstzweig einschlagenden Abmachungen mit den entsprechenden Behörden des Aus-
landes zu treffen.2)
Formen des Vertragsabschlusses sind staatsrechtlich nicht vorgeschrieben; es wird
bei allen wichtigeren Sachen die allgemein übliche Form des Abschlusses durch Austausch
der Ratifikationsurkunden beobachtet.))
mußte dazu verleiten, auch in diesen Rechtssätze zu sehen. Dadurch wurde einmal der Rechts-
satzbegriff gemißbraucht und verdorben. Sodann aber droht daraus auch dem Gesetze eine Be-
einträchtigung seines verfassungsmäßigen Herrschaftsgebietes. Denn es ist leicht nachzuweisen,
daß solche angeblichen „Rechtssätze“ von der Regierung massenhaft erzeugt werden ohne besondere
Verfassungsvorschrift oder gesetzliche Ermächtigung. Daran hängt sich dann die verhängnisvolle,
weil den Verfassungsstaat gefährdende Lehre von einem,„selbständigen Verordnungsrecht".
möchte sie nach der lebhaften Bekämpfung, welche sie namentlich durch Anschütz erfuhr, als
überwunden ansehen. Arndt, Das selbständige Verordnungsrecht 1902, hat noch einmal
alles vorgebracht, was sich dafür vorbringen läßt, und noch einiges mehr. Er kann als Literatur-
nachweis dienen. — Für das Sächsische Staatsrecht neigen mehr oder weniger deutlich dazu:
Fricker, Grundriß S. 171; Opitz, Staats-R. II S. 80ff. Leuthold, Sächs. Verw.=
R. S. 76 Anm. 1, kommt notwendig auf den gleichen Standpunkt hinaus; bei ihm ist eigentlich
alles Rechtssatz, was die Obrigkeit sagt. Daß die Verf.-Urk. § 87 das Verordnungsrecht in so ver-
schwommener Weise behandelte (vgl. oben Note 8), leistete diesen Auffassungen natürlich großen.
Vorschub. Hat doch auch in Baden der gleiche Text zu der Behauptung eines „außerhalb des ver-
fassungsmäßig der ständischen Mitwirkung vorbehaltenen Gebietes“ liegenden selbständigen Ver-
ordnungsrechtes geführt (Glockner, Bad. Verf.-Recht S.149). In Wirklichkeit ist aber in
Sachsen die Regierung für die Geltendmachung des richtigen und eigentlichen Verordnungs-
rechtes, des rechtssätzeschaffenden, immer in den Schranken geblieben, welche nach den oben §20
aufgestellten Grundsätzen dafür bestehen sollen.
Eine Ausnahme zeigt sich nur auf einem kleinen Sondergebiet, von welchem im folgenden
die Rede sein wird (unten § 23, II); da sind allerdings jene abweichenden Auffassungen von dem
Herrschaftsbereich des Gesetzes wirksam geworden.
1) Man spricht hier gern von „Außeren Hoheitsrechten“" (Grünler, Beiträge zum Staats-
recht des Kgr. Sachsen S. 68), von „Repräsentativgewalt" (Milhauser, Staats-R. I S. 128;
Opitz, Staats-R. 1 S. 167). Das sind Namen ohne viel Wert.
2) Es sind das die von der Völkerrechtstheorie im allgemeinen weniger beachteten „Amts-
verträge“, auf welche Bluntschli, Mod. Völkerrecht Nr. 442, hingewiesen hat. Sie sind
für Sachsen tatsächlich wohl so haufig wie die anderen. Darin wiederholt sich der Zug, der auch
in der reichlichen Übertragung des Königlichen Verordnungsrechtes an die Minister sich äußert;
vgl. oben, §5 22, I N. 1.
3) Wo das Ministerium den Vertrag schließt, besteht die Ratifikationsurkunde in einer „Mi-
nisterialerklärung“, gezeichnet von dem Fachminister und dem Minister der auswärtigen Ange-
legenheiten. Vgl. Übereinkunft mit dem Senate der Stadt Frankfurt wegen Rechtshilfe., Er-
kllärung des Min. d. ausw. Angeleg. u. der Justiz vom 20. Febr. 1852, veröffentlicht durch Ver-
ordnung des Justizministeriums vom 5. März 1852 (Ges.= u. Verord.-Bl. S. 32 u. 33). Ahnlich
eine Üübereinkunft mit Bayern vom 7. April 1852 (Ges.= u. Verord.-Bl. S. 139 ff.); Übereinkunft
mit Bayern wegen Form der Eheschließung, durch Ministerialerklärung des Min. d. ausw. Angeleg.