194 Vierter Abschnitt: Zusammenwirken von Regierung und Volksvertretung. 24.
sich erneuernden Staatshaushaltsplanrechtlich zusammen-
gebunden. Das so entstehende eigenartige Gesetz heißt das Finanzgesetz.
I. Verf.-Urk. 8 98 bestimmt: „Bei jedem ordentlichen Landtage wird
den Ständeneinegenaue Berechnungüber Einnahme und Aus-
gabe in der vorletzten Finanzperiode und ein Voranschlag- des
Staatsbedarfs für die zwei nächstfolgenden Jahre nebst den
Vorschlägen zu dessen Deckung möglichst bald nach Eröffnung
des Landtages mitgeteilt.“ Dieser Voranschlag der Einnahmen und Aus-
gaben, welche die Staatskasse während eines begrenzten bevorstehenden Zeitraumes zu
machen haben wird, ist der Staatshaushaltsplan.:) Der Zeitraum, für wel-
chen er gilt, heißt Budgetperiode oder Finanzperiode. Er beträgt 2 Jahre.)
Ein solcher Voranschlag ist die unentbehrliche Ordnungsmaßregel für jede größere
Wirtschaft; daher läge die Aufstellung und möglichste Einhaltung ohnehin in den Pflichten
der Regierung. Die Verf.-Urk. hat aber noch besondere staatsrechtliche Verpflichtungen
damit verknüpft. Sie haben vor allem den Zweck, die Verwendungder Staats-
gelder den Ständen gegenüber zu binden. Demgemäß sind es wesentlich Pflichten
der Regierung und diese knüpfen sich an den Teil des Staatshaushaltsplanes, der
die Ausgaben feststellt: die Regierung soll keine Ausgaben machen, als solche, die die
Stände vorher als der Bestimmung der Staatsgelder entsprechend anerkannt haben, des-
halb bedarf die Regierung einer ständischen „Ausgabenbewilligung“, ist aber dann auch
gebunden, sich daran zu halten.“)
Auf der anderen Seite sind auch die Stände gebunden, „für Aufbringung
des Staatsbedarfes durch Aussetzung der hierzu erforder-
lichen Deckungsmittel zu sorgen“. Zu deckender Staatsbedarf ist der Über-
schuß der vorgesehenen Ausgaben über die gegebenen, d. h. von selbst und ohne
die besondere Bewilligung der Stände fließenden Einnahmen. Die Deckung wird haupt-
sächlich geschehen durch Steuern; die Stände werden sie bewilligen durch Zustimmung zum
Finanzgesetz; im Staatshaushaltsplan wird die entsprechende Summe als Einnahme ein-
gesetzt. In welcher Höhe diese Deckungsmittel erforderlich sind, das hängt demnach mit ab
von der Höhe der gegebenen Einnahmen. Die Stände haben aber das Recht, das Maß ihrer
2) So das Verf.-Ges. vom 5. Mai 1851 in der Überschrift zu §8 3 (Verf.-Urk. § 98). Die Verf.=
Urk. selbst hatte sich des englischen Ausdruckes Budget bedient (I 22 Abs. 4 u. 5, 523, 5106); bis 1878
schlossen sich auch die einzelnen Finanzgesetze dem an. Seit 1880 (Ges.= u. Verord.-Bl. 1880 S. 13)
sprechen sie dafür vom Staatshaushalts-Etat. Die Rechtssprache Preußens und des Reiches
ist hier maßgebend geworden. Die Franzosen selbst gebrauchen das Wort état nicht in diesem Sinne.
3) Ursprünglich hatte Verf.-Urk. § 98 drei Jahre bestimmt. Das Vers.-Ges. vom 3. Dez. 1868
hat das — einem allgemeinen Zuge der deutschen Verfassungen folgend — auf zwei Jahre herab-
gesetzt. Die Finanzperioden beginnen mit einem Jahre gerader Zahl und endigen mit einem
solchen ungerader. Wenn alles rechtzeitig fertig wird, muß man also die Finanzgesetze in den Ges.=
u. Verord.-Bl. ungerader Jahreszahl finden. — Wenn demnach für alle rechtlichen Wirkungen
die zweijährige Finanzperiode wie ein ungeschiedener Zeitraum behandelt wird, so pflegen doch,
der Übersicht und Anschaulichkeit halber, im sogenannten ordentlichen Etat Ausgaben und Ein-
nahmen mit den entsprechenden „Jahresbeträgen“ angesetzt zu werden; der außerordentliche
Etat nur drückt sich in Gesamtsummen für die ganze Finanzperiode aus.
4) Wenn eine „Bewilligung des Ausgabebudgets“ gefordert wird (Verf.-Urk. § 103) oder
von „Ausgabebewilligung“ im Gesetze die Rede ist (Ges. vom 1. Juli 1904, den Staatshaushalt
betr., § 2 Abs. 6, § 5 Abs. 2, & 7, § 8 Abs. 1—5), so hat das eben keinen anderen Sinn als die
Anerkennung der Unzulässigkeit einer Verwendung von Staatsgeldern ohne solche Bewilligung.
F die Bestimmungen des Ges. vom 1. Juli 1904 8 5 Abs. 1, Ausf.-Verord. vom
. Jan. 1905 .