Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

198 Vierter Abschnitt: Zusammenwirken von Regierung und Volksvertretung. 8 24. 
  
Für die Ausgabebewilligung, wo, wie wir sehen, noch am meisten freies Ermessen 
gilt, hat die Verf.-Urk. noch einige besondere einschränkende Regeln und Formen vor- 
geschrieben: * 
— sie darf nicht an Bedingungen geknüpft werden, welche nicht das Wesen 
oder die Verwendung der Bewilligung unmittelbar betreffen (Verf.-Urk. § 102); die 
Stände müssen streng bei der Sache des Haushaltplanes bleiben und dürfen keine ander- 
weiten Bedürfnisse dabei zu befriedigen suchen; 
— Abstriche müssen mit „bestimmter und ausführlicher Nachweisung der Gründe“ 
versehen werden (Verf.-Urk. 3 100); 
— Ansätze für „geheime Ausgaben“ müssen unbesehen übernommen 
werden, wenn eine „schriftliche, von mindestens drei verantwortlichen Ministerialvorständen 
kontrasignierte Versicherung des Königs bezeugt, daß die Verwendung zum wahren Besten 
des Landes stattgefunden habe oder stattfinden werde“ (Verf.-Urk. &J 99 Abs. 2). 
Wenn die II. Kammer ihre Beratung des Entwurfs erledigt hat, geht er an die I. Kam- 
mer; stimmt diese zu, so geht die Sache, wie bei Gesetzesvorschlägen, mit gemeinsamer 
ständischer Schrift an den König. Wo nicht, so findet das Vereinigungsverfahren statt; 
erfolgt auch dann keine Einigung, so gilt der Regierungsvorschlag als angenommen, wenn 
nicht in der widersprechenden Kammer eine Zweidrittelmehrheit für die Ablehnung ge- 
stimmt hat.15) 
3. Der König wird nun seinerseits den ihm mit ständischer Schrift vorgelegten Staats- 
haushaltsplan zu prüfen haben, ob er in der Gestalt, die ihm von den Ständen gegeben 
wurde, mit dem Staatswohl vereinbar ist. Bejaht er diese Frage, so erklärt er den Stän- 
den mittels Dekretes (des sog. „Akzeptationsdekrets“), daß er diesen Plan annehme, 
und zieht dann gleich die Folgerungen für das zu erlassende Finanzgesetz (vgl. unten II 
N. 2). Durch diese Annahmeerklärung erhält der Plan seine bindende Kraft für die 
Finanzverwaltung der bevorstehenden Finanzperiode (vgl. unten Nr. 4).15) 
15) Verf.-Urk. §J 101, § 131, § 103 Abs. 5. Hier haben wir also ein volles Seitenstück zu der 
„eigentümlichen“ Bestimmung, welche nach Verf.-Urk. § 92 für das Zustandekommen der ständischen 
Zustimmung zu einem königlichen Gesetzesvorschlage gilt. Wir haben davon oben #521 Note 10 
gesprochen. Die Zustimmung der Stände umfaßt hier in Einem: Staatshaushaltsplan und Finanz- 
gesetz. Man könnte also sagen: das letztere sei ja, für sich betrachtet, ein echtes Gesetz, mache also 
den § 92 ohnehin anwendbar. Allein so abgesondert läßt sich das Finanzgesetz nicht behandeln; 
es ist ja nur die Folgerung des festgestellten Haushaltsplanes und der darin enthaltenen Bewilli- 
gungen, deren Gesichtspunkte sachlich maßgebend sind. Wenn Verf.-Urk. § 103 von Bewilligung 
spricht, so meint sie dieses untrennbare Ganze schlechthin. — Zu bemerken ist, daß dieses aus dem 
ganzen Kreise der Bewilligungen (oben & 20, II) die einzige ist, bei welcher die Regierungsvorlage den 
jedem Gesetzesvorschlag der Regierung eigentümlichen Vorzug genießt, nur mit zwei Drittel Mehr- 
heit abgelehnt werden zu können. Der den Ständen vorgelegte Verfassungsentwurf hatte hier 
einfach auf die für die Gesetzeszustimmung gegebene Vorschrift verwiesen (§F 117 auf § 106 = dem 
jetzigen § 92); vgl. v. Witzleben, Entstehung S. 393; Landtagsakten 1830 Bd. 3 S. 1399. 
Das hatte er aber in dem § 89, der dem jetzigen & 131 entspricht, überdies für alle Bewilligungs- 
sachen schlechthin getan, so daß für alle die erschwerte Ablehnung gegolten hätte. Der jetzige § 131 
verweist aber nun nicht mehr auf § 92 als allgemein maßgebend, sondern zunächst aufs §& 128, der 
seinerseits die Bestimmungen des §* 92 und des §F 103 als Ausnahmen behandelt. 
16) Ein solches Akzeptationsdekret lautet: „Wir . haben mit Befriedigung ersehen, daß 
Unsere getreuen Stände den vorgelegten Staatshaushaltsetat in der Hauptsache genehmigt und 
die hierzu erforderlichen Mittel bewilligt haben. Wir erklären uns auch mit den von den getreuen 
Ständen an dem vorgelegten Staatshaushaltsetat beschlossenen Anderungen und Zusätzen ein- 
verstanden und genehmigen, daß den ständischen Beschlüssen gemäß der Etat auf festgestellt 
wird“" (vgl. z. B. Landtagsakten 1905/06, Königl. Dekrete Bd. 3 N. 40). — Löbe, Staats- 
haushalt S. 51, spricht hier von einer „Königlichen Sanktionierung des Staatshaushaltsetats“, 
von einer „Sanktion des Königs“, die mittels des Akzeptationsdekretes ausgesprochen werde. 
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