8 24. Staatshaushaltsplan und Finanzgesetz. 199
Der König kann aber auch der Meinung sein, daß durch die Abstriche, welche die Stände
an den vorgeschlagenen Ausgaben, die Höherbemessungen, welche sie an den gegebenen
Einnahmen gemacht haben — beides mit der Wirkung, auch die vorgesehene Deckung zu
vermindern —wichtige Staatszwecke gefährdet würden. Dann verweigert er die Annahme. 17)
Die Folge ist, daß dieser Staatshaushaltsplan für die Regierung nicht bindend wird;
die Stände haben nicht die rechtliche Macht, ihn aufzuerlegen.
Aber der König kann ihn auch nicht, entgegen dem Willen der Stände, anders
gestalten. Er kann nicht herausnehmen, was ihm gefällt, um das andere etwa dahin-
gestellt zu lassen. Er kann insbesondere das Finanzgesetz nicht erlassen, das die Stände
zur Deckung des Bedarfs ihres Staatshaushaltsplanes vorgesehen hatten. Das sind
alles unlösliche Einheiten.
Einen Richter, der über die Meinungsverschiedenheit bindend zu urteilen hätte, gibt
es nicht. Die Sache kann sich nur erledigen durch gütliche Verständigung.15)
Auf eine solche verweist die Verf.-Urk. § 103 Abs. 2 in erster Linie: die Stände, welchen
durch Königliches Dekret eröffnet wurde, daß ihre Anträge unannehmbar seien, müssen
über die noch verbliebenen Streitpunkte in eine abermalige Beratung und
Beschluß fassung treten, nach all den vorgetragenen Regeln, die ja ein günstiges
Ergebnis sehr zu erleichtern geeignet sind. Scheitert auch dieser Versuch, dann ist die
ganze Sachlage beherrscht durch ein oberstes Gebot: der Staat muß weiter
leben und deshalb muß auch seine Finanzverwaltung in Gang bleiben, soweit es
dazu erforderlich ist. Die Regierung kann gar nicht anders, als daß sie in diesem Sinne
damit fortfährt; es ist ihre Pflicht. Es kann ihr auch nicht zugemutet werden, daß sie die
Möglichkeit diese zu erfüllen, erkaufe durch schlechthinige Unterwerfung unter den Willen
der Stände. Immerhin, wenn sie auf diese Weise Ausgaben macht ohne deren Zustim-
mung, so ist das ein ordnungswidriger Zustand, nur soweit die Not-
wendigkeit dazu drängt, ist sie gedeckt.
Dieser Standpunkt wird im Sächsischen Rechte ausdrücklich anerkannt im Zusammen-
hang mit einer besonderen Vorkehrung, die hier gleichfalls notwendig wird. Wenn der
Staatshaushaltsplan nicht vereinbart und folglich auch das Finanzgesetz von den Ständen
Die allgemeine Bedeutung des Wortes Sanktion dürfte aber einer solchen Verwendung sehr ent-
schieden widersprechen. Der dafür angerufene §& 112 der Verf.-Urk. versagt: es handelt sc ja hier
nicht um ständische Beschlüsse, die „in Angelegenheiten des Landes wirksam werden“, sondern
um das innere Verhältnis zwischen Ständen und Regierung, das durch Austausch beiderseitiger
Erklärungen geregelt wird. Der gewöhnlich kurz nachher ergehende Landtagsabschied führt dann
in seiner Zusammenfassung auch dieses Dekret auf. Löbe a. a. O. S. 52 meint: es werde „da-
durch gewissermaßen zu einem integrierenden Teile des letzteren“ (des Landtagsabschiedes). Tat-
sächlich wird der vom König angenommene Haushaltsplan auch als der „„erabschiedete
Etat“ bezeichnet. Das bezieht sich aber nicht auf seine geschehene Erwähnung im Landtagsabschied.
Denn er wird schon im Finanzgesetz so genannt, das vor diesem Landtagsabschied datiert. Vgl.
z. B. Finanzges. vom 8. März 1880 und Landtagsabschied vom 10. März 1880, Finanzges. vom
14. Mai 1904 und Landtagsabschied vom 19. Mai 1904. „Verabschiedet“ bedeutet hier einfach
wie von alters her: „mit den Ständen verabschiedet“, d. h. mit ihnen vereinbart.
17) Den Ständen „geschieht Eröffnung“, daß ihre Anträge „auf Verminderung der verlangten
Summen" für „unannehmbar befunden würden“: Verf.-Urk. § 100, &+ 103 Absf. 2.
18) Das Verfassungsrecht muß sid naturgemäß mit solchem Ergebnis des öfteren begnügen;
es hat eben seine eigene Art, und die Übertragung zivilrechtlicher Anschauungen führt nur zu Ver-
kehrtheiten. Weder mit der Forderung, daß die Willensmeinung der Volksvertretung schlechthin
entscheidend sei, kommt man durch, noch läßt sich alles auf die vielgepriesene Ministeranklage
laden; die trifft hier zunächst gar nicht zu. Verantwortlichkeiten können erst aus der besonderen
Art der späteren Behandlung der Sachen entstehen.