8 24. Staatshaushaltsplan und Finanzgesetz. 207
denen Steuergesetze die erforderlichen Steuern ausschreiben lassen, also nötigenfalles auch
die Normalsätze durch Zuschläge erhöhen.?8)
Die Verordnung wird erlassen durch das Gesamtministerium, alle Minister unter-
schreiben. Sie muß ihren außerordentlichen Anlaß erwähnen und sich auf Verf.-Urk. § 103
berufen. Sie gilt auf ein Jahr von Ablauf des letzten Finanzgesetzes gerechnet. Der
König ist verpflichtet, längstens sechs Monate vor Ablauf dieses Jahres den Landtag ein-
zuberufen, um Staatshaushaltsplan und Finanzgesetz für das folgende Jahr neu zu be-
raten. Möglicherweise wiederholt sich alsdann das gleiche Verfahren.34)
— Der zweite Fall bietet ein „Verfahren bei verspätigter oder verzö-
gerter Bewilligung“. Es liegt kein Konflikt der eben erwähnten Art vor;
Staatshaushaltsplan und Finanzgesetzentwurf sind auch den Ständen in gehöriger Zeit
vorgelegt worden; aber man ist nicht damit zu Ende gekommen; nun ist die neue Finanz-
periode da, und man hat kein Finanzgesetz, darf also keine Steuern erheben. Die Abhilfe
kann hier in der Weise gewährt werden, daß der König mit Zustimmung des Landtages
ein Gesetz über provisorische Forterhebung der Steuern
erläßt.5)
Ist auch das nicht durchführbar, sei es, daß man den Landtag nicht zusammenberufen
kann, sei es, daß er ein solches Gesetz verweigert oder nicht rechtzeitig fertig bringt, dann
„werden die bestehenden Steuern und Abgaben noch auf ein Jahr . in der bis-
herigen Weise forterhoben".6) Das kann natürlich nicht so unvermittelt geschehen; es
muß wieder eine Verordnung erlassen werden, die das fehlende Finanzgesetz ersetzt. Be-
33) Opitz, Staats-R. II S. 124, und Löbe, Staatshaushalt S. 50, sind beide der An-
sicht, der König könne bei der Gelegenheit nicht bloß die bestehenden Abgaben erhöhen, sondern
auch neue Abgaben auflegen lassen. Das letztere liegt aber nicht in der ordentlichen Funktion des
Finanzgesetzes, es wäre eine besondere selbständige Zutat, ein neues Steuergesetz, wozu die Ver-
ordnung keine Vertretungsmacht eingeräumt bekommen hat. Verf.-Urk. §J 96 (nach Ges. vom
5. Mai 1851 §. 2) bestimmt, daß „die bestehenden Landesabgaben ohne Zustimmung der Kammern
weder verändert noch ausgeschrieben oder erhoben werden“ dürfen. Veränderung wäre auch die
Hinzufügung neuer; Ausschreibung ist der Erlaß des Finanzgesetzes, der auch eine Erhöhung der
Normalsätze bringen kann. Für dieses gibt Verf.-Urk. § 103 (Ges. vom 5. Mai 1851 §& 5) eine Aus-
nahme zu: der König kann „die Auflagen für den notwendigen Staatsbedarf auf ein Jahr aus-
schreibeen und erheben.“ Damit ist das erstere nicht auch gestattet. Auch der Zwischensatz: „soweit
sie nicht ausdrücklich nur für einen vorübergehenden, bereits erreichten Zweck bestimmt sind“,
beweist, daß es sich nur um schon bestehende, durch erlassene Steuergesetze eingeführte Abgaben
handelt. Sowohl Opitz als Löbe berufen sich hier auf die Verhandlungen der I. Kammer,
Landtagsakten 1850/51 Beil. zu Prot. Bd. 1 S. 320, 321. Dort ist aber nicht von neu zu schaffenden
Auflagen die Rede, sondern nur von Erhöhung der Sätze der bestehenden (S. 321: „nicht nur das-
jenige forterheben zu lassen, was schon bisher erhoben worden war, sondern möglicherweise auch
durch erhöhte Auflagen ein Mehreres“).
34) Opitz, Staats-R. II S. 125, hält das nicht für zulässig. Auch Bülau, Verf. u#
Verw. 1 S. 217 Note 9 hat Bedenken; er verweist S. 213 auf „Nachgiebigeeit von beiden Seiten,
unterstützt von der Betrachtung der verderblichen Folgen extremer Maßregeln“. Das ist sehr richtig.
Wenn aber das alles nicht hilft, so bleibt doch nur der obige Weg — es sei denn, daß man es als
selbstverständlich ansieht, daß im Zweifel die Krone zum Nachgeben verpflichtet ist. Das wird aber
nicht aus der Verf.-Urk. herauszulesen sein.
35) Verf.-Urk. & 103 nach Ges. vom 27. Nov. 1860 F 2 unter a. Das wäre immer möglich,
auch ohne daß eine Verfassungsbestimmung darauf verwiese.
36) Neue Auflagen sind selbstverständlich ausgeschlossen. Aber auch die bestehenden dürfen
nur in der Höhe ausgeschrieben werden, wie sie für die letzte Finanzperiode galt: „in der bisherigen
Weise forterhoben“ (Verf.-Urk. § 103 nach Ges. v. 27. Nov. 1860 f 1). So auch Opitz, Staats-
RN. II S. 125 Note 10. In den Kammerverhandlungen zum Ges. vom 5. Mai 1851 F 117a, das
für die hier fragliche Bestimmung schon den gleichen Ausdruck gab, hob man hervor: „daß von einer
Beränderung der Steuern dabei nicht die Rede sein kann“ (Mitteil. 1850/51 II. Kamm. Bd. 3
S. 2407). as richtete sich hier gegen die Erhöhung.