220 Vierter Abschnitt: Zusammenwirken von Regierung und Volksvertretung. g 26.
heitsbeschluß zu bestellen, vereinigen sich die zur Vorbereitung des Anklagebeschlusses
ernannten Deputationen beider Kammern zu einer Wahlkonferenz.17)
Bei der Entscheidung stimmt der Präsident nicht mit. Dafür gilt im Falle der Stimmen-
gleichheit die dem Angeklagten günstigere Meinung.
Dem Präsidenten steht die Vollziehung des Beschlusses zu. Er publiziert ihn in einer
Plenarsitzung des Staatsgerichtshofes5), wozu natürlich die Parteien geladen sind, und
sorgt für die in Verf.-Urk. & 147 Abs. 5 angeordnete Veröffentlichung der Akten durch
den Druck. Zur Anfechtung des Beschlusses gibt die Verf.-Urk. J 149 dem Verurteilten
nur die eine Möglichkeit der „Berufung auf ein neues Erkenntnis“. Die Einlegung dieser
Berufung muß binnen 14 Tagen von der Publikation ab beim Staatsgerichtshof ge-
schehen. 15) Dann entscheidet dieser noch einmal. Aber die Referenten werden dabei
gewechselt und die Zahl der Richter wird um zwei verstärkt, um ein vom König be-
sonders zu ernennendes Mitglied und einen der von den Ständen gewählten Stell-
vertreter.
Der endgültig gewordene Ausspruch hat die Natur eines rechtskräftigen Urteils.
Im Falle die Anklage obsiegt, lautet er auf die Verhängung einer Strafe. Die
Strafen, welche dem Staatsgerichtshof zu Gebote stehen, sind: ausdrückliche Mißbilli-
gung des Verfahrens des Angeklagten und Entfernung aus dem Amte.
Beide entsprechen sie dem allgemeinen Begriff der öffentlichen Strafe als eines obrig-
keitlich zugefügten Ubels wegen mißbilligten Verhaltens. Ihrer besonderen Art nach
gehören sie dem Dienststrafrecht an, dem Disziplinarstrafrecht. 530) Man darf
nicht einwenden: der Minister stehe in keinem Dienstverhältnis zu den Ständen, noch zu
dem Staatsgerichtshof, Dienstgewalt über ihn habe allein der König. Das eben ist hier
das Besondere, daß die Verfassung die Stände befähigt, durch Vermittlung des Staats-
gerichtshofes und unabhängig vom Könige ein Stück von der diesem zustehenden Dienst-
gewalt zur Ausübung zu bringen. Daß die Strafmittel der Dienstgewalt des
Königs entnommen sind, ist unverkennbar. Die Natur der Dienststrafe erweist sich weiter
auch daran, daß das Strafverfahren des Staatsgerichtshofes volllommen selbständig
ist gegenüber einer Strafverfolgung nach gemeinem Strafrecht und vor den ordentlichen
Strafgerichten, die das Verhalten des Ministers etwa außerdem noch begründen mag.21)
17) Ges. vom 3. Febr. 1838, K 5—15, ordnet die Bestellung dieses Anwaltes und seines
Stellvertreters sehr ausführlich. Die Bestellung des Anwaltes sichert namentlich auch die Fortdauer
des Verfahrens selbst im Falle einer Schließung des Landtags oder sogar einer Auflösung der
zweiten Kammer: Ges. v. 3. Febr. 1838 K 42.
18) Ges. vom 3. Febr. 1838 F 20.
19) Daß diese Berufung nur dem verurteilten Minister zustehen soll, nicht auch den mit dem
Urteil unzufriedenen Ständen, könnte man aus der Stellung des §& 149 hinter dem § 148 Verf.=
Urk. schließen, der zuletzt gerade den Fall voraussieht, daß der Staatsgerichtshof auf eine Strafe
erkannt hat. In Württemberg scheint man, bei gleicher Lage des Textes, den Rechtsbehelf beiden
Teilen zuzusprechen: Goez, Staats-R. des Kgr. Württemb. S. 157. Das Ges. vom 3. Febr. 1838
# 41 will die Frage ganz glatt im entgegengesetzten Sinn gelöst sehen. Es sagt einfach nur: „der
Angeklagte hat das Recht usw.“ Formell maßgebend ist diese Auffassung nicht.
20) Opitz, Staats-R. II S. 246. Ebenso Seydel, Bayr. Staats-R. II S. 315f.
Über die verschiedenen Auffassungen der juristischen Natur der Ministeranklage vgl. v. Frisch,
die Verantwortlichkeit S. 168ff. Weder mit der Bezeichnung als „staatsrechtliches Strafverfahren“
(v. Frisch a. a. O. S. 178), noch mit der als „außerordentliche Maßregel“, die zugleich ein
„Strafverfahren“ ist, (G. Meyer-Anschütz, Deutsch. Staats-R. S. 688) scheint mir etwas
Bestimmtes gesagt zu sein.
21) Verf.-Urk. § 148 Abs. 2 hatte noch dem Staatsgerichtshof das Recht gegeben, „eine
weitere Strafverfolgung vor dem ordentlichen Richter ausdrücklich auszuschließen". Diese Be-