Fünfter Abschnitt.
Die Staatsbehörden.
827. Entwicllungsgeschichte der Sächsischen Behördenordnung. Das Amt be-
deutet einen bestimmten Kreis von Geschäften, für welchen ein Mann in Dienst und Pflicht
genommen werden soll, um ihn namens des Staates zu besorgen.
Die Behörde ist ein durch solche Ämter gebildeter einheitlicher Ausgangspunkt
selbständiger Geschäftsbesorgung. Das kann ein Einzelamt sein oder eine Verbindung
von Amtern in der Form einer Gesamtbehörde (Kollegium) oder einer Vorstandschafts-
behörde (bureaukratische Organisation).:)
Das Ganze der jeweils im Staate nebeneinander bestehenden Einrichtungen dieser
Art bildet die Behördenordnung. Wie diese Behörden gebildet und gestaltet
sind und wie ihre Beziehungen untereinander sich regeln, das ist ein wesentliches Stück
der Art, wie die Staatsgewalt selbst sich nach außen darstellt, und des Staatsrechts. Die
allmähliche Ausbildung der Behördenordnung bezeichnet überall den Entwicklungsgang
der deutschen Länder zum vollen Staate und dann weiter zum Verfassungsstaate der
Neuzeit. So ganz besonders auch in Sachsen.
1) Über das Verhältnis der Begriffe Amt und Behörde zueinander vgl. Laband, Staats-R.
1 S. 338 ff. — Bei „Behörde“ ist überdies vorzugsweise an solche Geschäfte gedacht, die mit Aus-
übung obrigkeitlicher Gewalt verbunden sind. So das Organisationsgesetz vom 21. April 1873 54:
„Gemeindebehörden in der Eigenschaft von Verwaltungsobrigkeiten und beziehentlich Polizei-
behörden.“ — Die oben gewählten Ausdrücke: Gesamtbehörde und Vorstandschaftsbehörde sind
geeignet, die Sache zu erläutern, die sie bezeichnen sollen: die verbundenen Amter üben entweder
die der Behörde zustehende Gewalt als Gesamtheit aus oder sie sind zu ungleichem Rechte vereinigt,
so daß die behördliche Gewalt in erster Linie mit dem Amte des Vorstandes verbunden ist, die übrigen
nur zu seiner Vertretung und Unterstützung dienen. Das letztere entspricht der Ausdrucksweise
des Org.-Ges. §& 8 Abs. 2, § 24. — Die althergebrachten Bezeichnungen des Gegensatzes sind ein
Hindernis für unbefangene Auffassung: das Kollegiale schmeichelt sich ein und das Bureaukra-
tische hat geradezu etwas Gehässiges; der neuerdings versuchte Ersatz durch „monokratisch“ machte
es kaum besser. Bei den Verhandlungen über das Org.-Ges., das die „bureaukratische“ Behördenform
durchführte, kam diese Stimmung sehr unverhohlen zum Ausdruck (Landt.-Mitt. 1871/73 II. Kam.
Bd. 3). Man verkündete die baldige Rückkehr der Kollegien und kennzeichnete die Stellung der
Amtshauptleute als „ein persönliches Regiment mit ziemlich starkem aristokratischem Anflug“,
daran sei „nichts Liberales vorhanden" (S. 2917), fand es bedrohlich, wenn „dann über den Amts-
hauptleuten noch der allmächtige Kreishauptmann steht — keine kollegiale sondern eine auto-
kratische (I!) Behörde“ (S. 2954); verlangte für die zweite Instanz „ein Kollegium, dessen Einsicht
und guten Willen der Herr Kreishauptmann keineswegs ersetzen kann“, sonst werde man „die
Macht der Bureaukratie auf eine bisher nicht gekannte Höhe steigern“ (S. 3070). Das ist alles
Vorurteil und Aberglaube. Die beste Gewähr tüchtiger Verwaltung ist das Verantwortlichkeits-
gefühl des Beamten, und das ist stärker bei dem selbständig handelnden Einzelbeamten als bei einem
Kollegium. Während man sonst die Terminologie für Geschmackssache erklären mag, ist es in
diesem Falle schon der Mühe wert, sich um sie zu kümmern.