Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

8 27. Entwicklungsgeschichte der Sächsischen Behördenordnung. 225 
  
I. In den bewegten Zeiten nach der Reformation kam ein frischer Trieb in die Landes- 
hoheit. Die Geschäfte, Justiz und Verwaltung noch unausgeschieden umfassend, ver- 
mehren sich. Der Fürst mit seinem Hof, seinen Vasallen und Räten, kann die Sachen 
nicht in der bisherigen Weise erledigen. Gegenüber dem wechselnden Hoflager und den 
wechselnden Beauftragungen entsteht das Bedürfnis nach einer größeren Einheik und 
Stetigkeit. Das Mittel dazu sah man in der Schaffung eines obersten Kollegiums mit fest 
geordneten Zuständigkeiten. In den Ernestinischen Ländern hatte der Kurfürst Johann 
Friedrich ein solches eingerichtet. Im Jahre 1547 wendeten sich denn auch die Land- 
stände des neuen Kurfürsten Moritz gegen das bisherige persönliche Regiment mit der 
Forderung nach einem „sonderlichen Hofrat, welcher der Justitiensachen täglich ohne 
Berhinderung anderer Geschäfte abwarte“. Die daraufhin erfolgte Einsetzung des ersten 
„ Hofrats“ mit eigener „Kanzleiordnung“ hat den Kern geschaffen für alles weitere.:) 
Dieses Kollegium, welches später den Namen Landesregierung erhielt, 
bestand bis zur Einführung der Verfassung. 3) Es setzte sich aus einer Anzahl landes- 
herrlicher Beamter, Hofräte, zusammen, die teils Doktoren der Rechte, teils von Adel 
waren. Die Stellen waren frühzeitig an beide Gruppen hälftlich verteilt worden; sie 
vermehrten sich mit den wachsenden Geschäften. Im Jahre 1788 wurden es 30 Hofräte, 
davon 15 Doktoren und 15 von Adel; das Dekret v. 14. Januar 1818 (nach der Verkleinerung 
des Landes) setzte die Zahl auf 18 herab. 
Ursprünglich führt der Landesherr selbst den Vorsitz. Später läßt er sich ständig ver- 
treten durch den Kanzler, der dem Kollegium in seiner Gesamtheit vorsteht und 
notwendig von Adel ist. Das Kollegium führt die Geschäfte des Landes an des Kur- 
fürsten Statt, soweit diesem bestimmte Sachen nicht vorbehalten sind zu persönlicher Ent- 
schließung. Jederzeit kann er aber auch im Einzelfalle eingreifen und die Sache selbst 
entscheiden, ohne Sonderung nach Justiz und Verwaltung. 
Durch Ausbildung besonderer Behörden neben und über ihr wird die Landesregierung 
von einzelnen Zweigen ihrer Tätigkeit nach und nach entlastet. Gegen das Ende ihres 
Bestehens ist sie aber immer noch zur Ausübung ihrer Geschäfte in drei Unterkollegien 
(Departements) geteilt, davon jedes umfassende Zuständigkeiten aufweist, nämlich: 
— das erste: die Lehns-, Hoheits= und Regierungssachen, sowie die inneren Ange- 
legenheiten des Kollegiums; 
— das zweite: Ziviljustiz= und Vormundschaftssachen; 
— das dritte: Kriminaljustiz und Polizeisachen, nebst Medizinal-Angelegenheiten.") 
Als besondere Behörden, die sich von der Landesregierung abgezweigt haben 
zu selbständiger Besorgung gewisser Geschäfte, sind zu nennen: 
— das Geheime Finanzkollegium, ursprünglich eine besondere Ab- 
2) Über den Hergang: Weiße, Staats-R. 1 S. 157 f.; v. Witzleben, Entstehung 
der Verf. S. 106. Ausführlicher die Abhandlung: Geschichte und Verfassung der Chursächsischen 
Landesregierung, im Journal für Sachsen 1792 S. 97 ff., vor Allem aber jetzt: Lobe, Ursprung 
und Entwicklung der höchsten Sächsischen Gerichte S. 50 ff. 
3) Veit Ludwig v. Seckendorffs berühmtes Buch: Teutscher Fürstenstaat, 1656, ist 
dem Erbprinzen Johann Georg von Kursachsen gewidmet. Es hat offenbar die kursächsischen 
Verhältnisse ganz vornehmlich im Auge. So dürfen wir z. B. in dem ausführlichen Kap. VI 
des II. Teils: „Von Bestellung einer Rathstuben“, die getreue Wiedergabe des Bildes einer kursäch- 
sischen Landesregierung sehen. 
4) v. Römer, Staats-R. u. Statistik II S. 109; Weiße, Staats-R. I S. 160 fj; 
v. Witzleben, Entstehung der Verf. S. 116. 
Otto Mayer, Sächsisches Staatsrecht. 15
	        
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