Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

8 27. Entwicklungsgeschichte der Sächsischen Behördenordnung. 227 
  
mit ihren Erfahrungen und Kenntnissen zur Seite stehen sollten. Das sind die nachmals 
so genannten Räte von Haus aus, die Landräte, Heimlichen, Geheimen Räte. Diese 
Einrichtung bestand auch neben dem Hofrat noch fort; die Geheimen Räte pflegten zugleich 
Mitglieder dieser Behörde zu sein. Sie wurden herangezogen, wenn es sich um „ver— 
traute Sachen“ handelte, auswärtige Angelegenheiten, Sachen des landesherrlichen 
Hauses, der Stände u. dgl. Seit 1574 wurden sie aber ihrerseits zu einem Kollegium 
vereinigt, dem Geheimen Rat, später Geheimes Konsilium genannt, seit 1817 
wieder Geheimer Rat. Er ist in erster Linie gedacht als oberstes beratendes Kollegium, 
das dem Landesherrn zur Verfügung steht. Zugleich ist ihm die Aufsicht über die gesamte 
Staatsverwaltung übertragen; seine entsprechenden „Mitteilungen“ (eommunicationes) 
an die anderen Behörden sind für diese Befehle. 10) Für gewisse Dinge (Finanzsachen, 
Kirchenangelegenheiten, Justizsachen) bestanden noch eigene Zuständigkeiten. Die Mit- 
glieder des Geheimen Rates sind nun nicht mehr Mitglieder der diesem untergeordneten 
Landesregierung.11) „Hofräte“, „Geheime Hofräte“ und „Geheime Räte“ stufen sich ab. 
Dafür ist aber auch dem Geheimen Rat alsbald wieder ein ähnliches Schicksal bereitet 
worden, wie die Landesregierung es durch ihn erfuhr: es entwickelte sich über ihm das 
Geheime Kabinet. Den Anlaß gaben die polnischen Unternehmungen Friedrich 
Augusts I., welche ihn lange Zeit vom Lande fern hielten, fern deshalb auch von den 
seßhaften Kollegien der Landesregierung und des Geheimen Rates. Die Sachen mußten 
aber dem König-Kurfürsten vorgetragen werden, um seine Entschließung herbeizuführen, 
und dazu diente eben das Kabinet. Seit 1704 ist die neue Einrichtung auch für Sachsen 
in vollem Gang. Ursprünglich galt sie nur für auswärtige und militärische Angelegen- 
heiten; später kam eine zweite Abteilung für Inneres dazu. So teilte sich das Kabinet in 
das Etranger-Departement und das Domestique-Departement, die der Sache nach bis 
zuletzt bestanden. Damit trat aber ein neues handlicheres und beweglicheres Element in 
die Ordnung des Staatslebens hinein, welches die alten Kollegia aus dem unmittelbaren 
Verkehr mit dem Landesherrn mehr und mehr verdrängte.2) 
Das Amt des Ministers, wie es — übereinstimmend mit den gleichzeitigen Er- 
scheinungen in Osterreich, Preußen, Bayern usw. — in diesem Geheimen Kabinet sich 
entwickelt, hat eine wesentlich andere Bedeutung, als jetzt der Name besagt. Es bedeutet, 
im Gegensatz zu den in Kollegien gebundenen Räten, Staatsbeamte höchsten Ranges, 
10) Weiße, Staats-R. I S. 152: „wo die Oberaufsicht in Wirksamkeit tritt, werden die 
erforderlichen Erkundigungen und Veranlassungen zwar in der Regel auch nur in Kommunika- 
tionsform erlassen, welche jedoch jederzeit die Wirkung von Befehlen haben“ — auch gegenüber 
Gerichten, das ist nicht zu übersehen, und in bezug auf ihre rechtsprechende Tätigkeit! 
11) Der Geheime Rat heißt jetzt „die oberste Landesbehörde“ schlechthin (v. Witzleben;,, 
Entstehung, S. 116, 141; v. Römer, Staats-R. u. Statistik II S. 96: „Das eigentliche höchste 
Landeskollegium"“). Wenn aber dieses Wort in der Mehrzahl gebraucht wird, ist auch die Landes- 
regierung darunter begriffen. Wenn die Mitglieder des Geheimen Rates nicht mehr in der Landes- 
regierung saßen, so doch umgekehrt der Kanzler und andere „Chefs der obersten Landesbehörden“ 
im Geheimen Rat (v. Witzleben a. a. O., S. 115; Weiße, Staats-R. I S. 152). 
12) v. Römer, Staats-R. u. Statistik II S. 96; „indem es eigentlich kein Landeskollegium, 
sondern mehr eine geheime Privat-Kanzlei des Landesfürsten ist.“ Die Stände waren mit dieser 
Einrichtung zuerst sehr unzufrieden: v. Witzleben, Entstehung S. 112. Auch die alten obersten 
Landesbehörden sind noch lange verstimmt über den Eindringling; vgl. z. B. Schreber, Neue 
Sammlung zur Cameral-Wissenschaft (1762) 2. Teil S. 274, wo es bei Darstellung der „relatio“ 
mit dem Geheimen Kabinet heißt: „Es erhoffet aber das Cammercollegium, daß es von solchen 
Vorträgen (beim Kurfürsten), die selbiges zu allen Zeiten gehalten, nicht gänzlich ausgeschlossen 
werde.“ Schreber ist natürlich Partei. 
15“
	        
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