14 Erster Abschnitt: Grundlagen des Staatswesens. g 5.
es zu tun hat, spielen nicht zwischen dem Staat und anderen Personen, sondern nur zwischen
solchen anderen, in erster Linie zwischen dem König und den Ständen.
Die einheitliche Persönlichkeit des Staates kommt erst in Frage, wenn nun aus dieser
Ordnung heraus Tätigkeit entwickelt wird, um ihre Zwecke zu verfolgen. Von den ver-
schiedensten Stellen aus wird hier gehandelt, ursprünglichen und abgeleiteten Rechts,
allein und zusammenwirkend, mannigfach bedingt und verumstandet. Alles beansprucht
aber zusammengehörig zu sein und auf einheitliche Ziele gerichtet, wie das der einheitlichen
Ordnung entspricht. Und das kommt zum Ausdruck dadurch, daß es bezeichnet wird als
das Handeln namens eines einzigen großen Subjektes, das da-
hinter steht, des persönlich gedachten Staates, oder noch kräftiger
dadurch, daß man solches Handeln geradezu bezeichnet als ein Außern des Staats-
willens. Das ist zunächst nichts anderes als ein Bild und ein Gleichnis. Je reicher
und mannigfaltiger die Lebenstätigkeit des neuzeitlichen Rechts= und Verfassungsstaates
sich entfaltet, desto weniger wird man ohne solche zusammenfassende und anschau-
lich machende Ausdrucksweisen durchkommen können. Auch die Rechtsordnung muß
sich ihrer bedienen, will sie nicht vor lauter Korrektheit zuletzt unverständlich
werden.
Durch diese Einheitsbehandlung in seinen äußerlichen Beziehungen wird der Staat
noch nicht eine wirkliche juristische Person, so wenig das der Fall ist bei der
offenen Handelsgesellschaft. Zu einer juristischen Person gehört mehr. Eine feste Ab-
grenzung des Begriffes wird man ja nur dann erhalten, wenn man das entscheidende Merk-
mal gerade im inneren Verhältnis sucht: Rechte und Rechtsbeziehungen, die einem be-
stimmten Zweck und Unternehmen zu dienen bestimmt sind, werden rechtlich gelöst
von den Beteiligten, von den natürlichen Personen, denen sie zunächst zuständen, und um
diese rechtliche Sonderung festzuhalten, ist die juristische Person aufgestellt, in deren Namen
nun gehandelt wird. Nimmt man es ernst damit, so darf man nicht erwarten, durch diesen
Begriff ein tieferes Verständnis vom Wesen des Staates zu gewinnen. Wenn seit Ein-
führung des neuen Verfassungsrechts in der deutschen Theorie die juristische Persönlichkeit
des Staates so beliebt geworden ist, so haben dabei offenbar die in der europäischen Luft
liegenden republikanischen Anschauungen unbewußt ihren Einfluß geübt: unter der Staats-
persönlichkeit, für die und in deren Namen alles geschehen soll, versteht man einfach das
Volk, den republikanischen Souverän, dessen „oberster Vertreter“ der Fürst ist. Da stimmt
es dann. Wir müssen uns aber hier an das monarchische Staatsrecht halten, wie es nun
einmal ist. Und da ist zu sagen, daß der König durch die Verfassung in keiner Weise de-
possediert worden ist, weder zugunsten des Volkes, noch zugunsten eines dazwischen ge-
schobenen neuen Rechtssubjektes, Staat genannt. Der König steht in keinem Rechtsver-
hältnis zu diesem Staat, er ist nicht der bloße Vertreter dieses Abstraktums; die rechtliche
Natur seiner Vertreterschaft zu bestimmen wäre auch vergebliche Mühe; „Organ" kann
man ihn natürlich immer nennen, aber dieses unglückliche Wort bedeutet ja alles und
gar nichts. Er ist einfach das Oberhaupt der Einrichtung, Staat genannt, Oberhaupt zu
eigenem Recht wie bisher.)
4) Verf.-Urk. § 4, dessen Anfangsworte vorhin angeführt wurden, entspricht dem § 1 Abs. 1
der Bayrischen Verf.-Urk. Tit. II. An diesen, insbesondere den Ausdruck „Oberhaupt des Staates“,
knüpft Seydel, Bayr. Staatsrecht 1 S. 170, seine bekannte Lehre vom Staat. Er nennt den Staat