Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

230 Fünfter Abschnitt: Die Staatsbehörden. 8 27. 
  
Nach Einführung der Verfassung wurden 1835 die Kreishauptleute ersetzt durch Kreis- 
direktionen, welche wenigstens „für alle wichtigeren Fälle“ als Kollegium zu 
beschließen hatten.20 Amter und Amtshauptmannschaften blieben zunächst unberührt. 
Hier waren denn auch Justiz und Verwaltung immer noch ungetrennt. 
Die Justiz erreichte dann ihr Ziel der völligen Trennung von der Verwaltung 
nebst Beseitigung aller Patrimonialjustiz, nach einem vergeblichen Versuche im Jahre 
1848, durch die Gesetzgebung von 1855 und von 1873. Seitdem hat die Reichsjustiz- 
gesetzgebung in gleichem Sinn die Dinge bindend für alle deutschen Staaten ge- 
regelt. Da diese zugleich die Gerichtsverfassung erschöpfend bestimmt, so scheidet 
dieses Stück der staatlichen Behördenordnung aus der Darstellung des Landesstaatsrechtes 
aus.21) 
III. Auf diesen Grundlagen hat sich nunmehr unter dem Einfluß der die neuzeitliche 
Staatsordnung beherrschenden Ideen die gegenwärtige Gestalt der Behörden der all- 
gemeinen Landesverwaltung herausgebildet. Sie zerfallen, ihrer ge- 
schichtlichen Herkunft und ihrer inneren Wesensart entsprechend, in zwei Gruppen. 
1. Die Verfassungsentwürfe Carlowitz und Lindenau hatten die Möglichkeit offen 
gelassen, daß der König die Regierung mit dem bisherigen Beamtentum führe; die Mi- 
nister waren nur nebenher erwähnt worden. Bei den Beratungen im Geheimen Rate 
kam aber die notwendig werdende „Umgestaltung der obersten Staatsbehörden“ in Frage. 
Mit der neuen Idee einer Verantwortlichkeit den Ständen gegenüber schien die gegebene 
kollegialische Besetzung der obersten Behörden unvereinbar; auch ihre Mannigfaltigkeit 
konnte nicht beibehalten werden. Ein neues persönlich hervortretendes 
Element, unmittelbar neben dem König, wurde als notwendig erkannt. Die „Chefs 
der einzelnen Verwaltungszweige“, die Vorstände der Ministerialdepartements waren 
dazu ausersehen.:) Der den Ständen dann vorgelegte Entwurf enthielt gleichwohl noch 
nichts Bestimmtes. Die Stände aber verlangten in ihrer Schrift vom 19. Juli 1831 die 
verfassungsmäßige Errichtung der verantwortlichen Ministerien.:s) Und 
nach ihrem Vorschlage ist der Text von Verf.-Urk. & 41 entstanden. 
Es war eine Umwälzung. Die Landesregierung mit ihren kollegialen Nebenbehörden 
sagt von den Kreis- und Amtshauptleuten zur Zeit des letzteren (S. 34): „ie titre de ces charges 
étoit demeuré, mais les fonctions en étoient tombées dans T’oubli. Elles étoient conférées avec 
des pensions modiques à des vassaux comme simples bienfaits de la cour et n’'obligeaient à aucun 
soin suivi.“ Das bedeutete allerdings eine gänzlich heruntergekommene Amtsverfassung. 
20) Verordnung wegen Errichtung von Kreisdirektionen, vom 6. April 1835 +K 17. 
21) Das alte Appellationsgericht zu Dresden ist Oberlandesgericht geworden; darunter stehen 
zurzeit 7 Landgerichte und 109 Amtsgerichte · 
22) v. Witzleben, Entstehung S. 191, berichtet über diese vom Geheimen Rat ange- 
stellten Erwägungen. 
23) Landt.-Akten 1831 Bd. 4 S. 1768. Der Antrag knüpfte sich an die Bestimmung in § 40 
des Entwurfs (jetzt Verf.-Urk. § 11), wonach die oberste „Staatsbehörde“ berufen ist, die Einsetzung 
einer Regierungsverwesung zu betreiben: „Da in diesem Paragraphen“ heißt es, „zum ersten 
Male der in dem Entwurf der Verf.-Urk. öfter und zwar unter verschiedenen Benennungen vor- 
kommenden obersten Staatsbehörde Erwähnung geschieht, sowie § 133 mehrerer obersten Staats- 
behörden gedacht, deren Zusammensetzung aber nirgends bestimmt ist, so halten wir es für wesentlich 
notwendig, daß über die Zusammensetzung dieser obersten Staatsbehörde eine Bestimmung in 
die Verf.-Urk. ausgenommen werde.“ — Es lag ganz auf der Linie der hergebrachten Anschau- 
ungen, wenn von seiten der Regierung das Ministerium einfach als ein vom König zu bildendes 
und zu handhabendes Werkzeug gedacht war. Wie sehr diese Amter durch das neue Verfassungs- 
leben in den Vordergrund getragen werden mußten, hatte man nicht in vollem Maße sich klar 
gemacht.
	        
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