8 27. Entwicklungsgeschichte der Sächsischen Behördenordnung. 231
verschwand, soweit die letzteren nicht als untergeordnete Stellen erhalten blieben;2) nur
aus der Oberrechnungsdeputation entwickelte sich als selbständige Zentralbehörde die Ober-
rechnungskammer.:5) Das Appellationsgericht ging ohnehin seine eigenen Wege. Das
Kabinet verlor nach dem Austritt der Minister alle staatsrechtliche Bedeutung. Vom
Geheimen Rate blieb nichts übrig als der neugestaltete Staatsrat, dessen wesentlichen
Kern er vordem gebildet hatte.
So erscheint denn jetzt als oberste Stufe der allgemeinen Landesverwaltung nur das
Ministerium mit dem Staatsrat (ypgl. unten §& 29).
2. Trennung von der Justiz und Beseitigung der Patrimonialverwaltung, das ist,
entsprechend dem Entwicklungsgange der Justiz, seit der Verfassung die Losung geworden
auch für die unter dem Ministerium stehenden Verwaltungsbehörden. Das Gesetz v.
21. April 1873, die Organisation für die Behörden der inneren Verwaltung betr., bringt
diese Entwicklung zum Abschluß. Die noch gebliebenen Adelsvorrechte auf eine gewisse
Machtstellung in der öffentlichen Verwaltung werden dabei gar beseitigt (vgl. oben 88
S. 39 ff.). Als reine Verwaltungsbehörden mit umfassendsten Zuständigkeiten werden
Kreishauptmannschaft und Amtshauptmannschaft ausgebildet
(vgl. unten §& 30).
Dabei schließen sich dieser Ordnung auch wieder neue Elemente an. Dem
großen Zug, der damals durch alle deutschen Verwaltungseinrichtungen ging, hat
sich auch Sachsen nicht verschlossen: Einfügung des Ehrenamtes in das Behörden-
system im Form der Bildung gemischter Kollegialbehörden und Einrichtung einer plan-
mäßig geordneten möglichst reichlich vorgesehenen Verwaltungsgerichtsbar-
keit, das sind auf diesem Gebiete die bedeutsamsten Errungenschaften der neuen Zeit.
Baden und Preußen gaben dafür Vorbilder.
In ersterer Beziehung hat bereits das Organisationsges. v. 1873 nach bekannten Formeln
seine Einrichtungen getroffen: es stellte neben die Amtshauptmannschaft den Bezirks-
ausschuß, neben die Kreishauptmannschaft den Kreisausschuß (yvgl. unten 38 30).
In der Ordnung einer besonderen Verwaltungsgerichtsbarkeit blieb
Sachsen zunächst noch etwas hinter den anderen deutschen Staaten zurück, um dann durch
das wohlausgereifte Gesetz v. 19. Juli 1900 über die Verwaltungsrechtspflege seine Stelle
desto besser auszufüllen. Die Behörden der Verwaltungsrechtspflege ziehen sich durch
Mittelstufe und Oberstufe gleichmäßig hindurch und finden auf der letzteren neben sich
noch eine besondere Einrichtung zur Überwachung der Zuständigkeitsgrenzen zwischen den
ordentlichen Gerichten und der Verwaltung, den Kompetenzgerichtshof
(ogl. unten § 31).
24) Übergangsmaßregeln gibt die Verordnung, die Einrichtung der Ministerial-Departements
und die darauf Bezug habenden provisorischen Vortehrungen betr., vom 7. Nov. 1831 K 6.
25) Die Oberrechnungskammer ist jetzt geregelt durch Gesetz, die Oberrechnungskammer betr.,
vom 30. Juni 1904. Vorher galt dafür die Verordnung vom 4. April 1877. Sie steht unmittelbar
unter dem Gesamtministerium (vgl. unten § 29 Nr. 3) und ist bestimmt zur „Kontrolle des ge-
samten Staatshaushaltes“ durch Prüfung der Rechnungen über Einnahmen und Ausgaben von
Staatsgeldern und über Zugang und Abgang von Staatseigentum. Sie faßt ihre Beschlüsse nach
Stimmenmehrheit der Mitglieder. Das Nähere bei Löbe, Handbuch des K. S. Etat-, Kassen-
und Rechnungswesens 2. Aufl. S. 701 f. Da es sich um eine Behörde handelt, die ganz dem
besonderen Gebiete der Finanzverwaltung angehört, so wird ihre Tätigkeit hier nur soweit berück-
sichtigt, als sie in das Verfassungsrecht und in die Ordnung der Behörden der allgemeinen Landes-
verwaltung hineinspielt; vgl. oben § 24 Note 27, unten § 29 Note 18.