232 Fünfter Abschnitt: Die Staatsbehörden. 8 28.
8 28. Das Staatsdienerrecht. Je bedeutender die Macht ist, die durch die staatlichen
Behörden zur Ausübung gebracht wird, desto mehr kommt es darauf an, welche Vor-
schriften bezüglich der dabei zu verwendenden Menschern bestehen: welche
Voraussetzungen sie zu erfüllen haben und in welche persönliche Rechtsstellung sie gebracht
sind.
An den Stellen, wo zuerst das landesherrliche Beamtentum bedeutsam hervortritt,
bei den obersten Landeskollegien, zeigt es auch in Sachsen alsbald jene eigentümliche
Mischung der Trägerschaften der Kultur der Werdezeit: Adel und Rechtsgelehrtentum.
Die Landesregierung hält Sessiones laterales: auf der einen Seite sitzen die adeligen, auf
der anderen die gelehrten Mitglieder. Die Amter der Kreishauptleute ebenso wie die der
Amtshauptleute sind „adelige Dignitäten“, d. h. dem Adel vorbehalten.!) Bei den
eigentlichen „Beamten“, die außer ihren Justizämtern auch Domänenverwaltung zu
besorgen haben, ist das eigentümliche Verhältnis aufsgekommen, daß ihnen das Amt ver-
pachtet wird: sie zahlen einen Pachtzins und beziehen die fructus jurisdictionis: Gebühren,
Geldstrafen usw. Daher noch bis zum Erlaß der Verfassung die Ernennung dieser Justiz-
beamten wesentlich in der Hand des Geheimen Finanzkollegiums ruht.:)
Die Amterverpachtung wurde in den neunziger Jahren des 18. Jahrhunderts ab-
geschafft. Andererseits war mehr und mehr der Grundsatz zur Durchführung gekommen,
daß auch adelige Herren den Nachweis rechtswissenschaftlicher Vorbildung zu liefern hätten,
um im höheren Staatsdienste Anstellung zu finden. Damit kündigt die neue Zeit sich an.2)
Die Verf.-Urk. & 44 verhieß:t „die Verhältnisse der Staatsdiener
sollen durch ein besonderes Gesetz näher bestimmt werden“.
Durch das Gesetz, die Verhältnisse der Zivilstaatsdiener betr., v. 7. März 1835 wurde
die Zusage erfüllt.)
Das Gesetz regelt den berufsmäßigen Staatsdienst. Staatsdiener ist
in seinem Sinne, wer sich mit öffentlichrechtlicher Dienstpflicht hat anstellen lassen behufs
UÜbernahme eines besoldeten Staatsamtes.5)
1) Weiße, Staats-R. 1 S. 164; Wabst, Historische Nachricht S. 61.
2) Wabst, Historische Nachricht S. 253, 257; v. Witzleben, Entstehung S. 114 Note -“.
3) Hierher gehört vor allem das vielgerühmte Mandat vom 27. Febr. 1793 wegen Qualifi-
zierung junger Leute zu künftiger Dienstleistung. Es stellt ziemlich strenge Anforderungen in bezug
auf akademisches Studium und Examina. Wenn es sich dabei vornehmlich an „diejenigen von
Adel“ wendet, so geschieht das, weil diesen die in Betracht kommenden Stellen in erster Linie zu-
gedacht sind und weil für Bürgerliche die Notwendigkeit solcher Bildung ohnehin selbstverständlich
ist. Ein Unterschied besteht nur insofern, als die Bürgerlichen ihr Examen nur bei den Juristen-Fa-
kultäten zu Leipzig und Wittenberg ablegen können, den Adeligen aber freisteht, sich statt dessen
von dem für die Rechtssachen der Privilegierten zuständigen Oberhofgerichte zu Leipzig oder dem
Hofgerichte zu Wittenberg examinieren zu lassen (a. a. O. #).
4) Dazu: Ausf.-Verord. vom 7. März 1835; Ges. vom 3. Juni 1876 (mit wesentlichen Ab-
änderungen, namentlich des Disziplinarverfahrens), Verord. vom 20. Febr. 1879 (Form der
Verpflichtung): Ges. vom 1. März 1879 (für richterliche Beamte), Ges. vom 20. März 1880 (desgl,)
5) Staatsdienerges. 1835 & 1: „Als Staatsdiener im Sinne dieses Gesetzes sind nur diejenigen
anzusehen, welche zu einem beständigen Amte vom König oder den dazu berechtigten Staats-
behörden auf Stellen eingesetzt sind, mit denen ein bestimmtes jährliches Einkommen aus der
Staatskasse verbunden ist.“ Das Gesetz enthält noch den Zusatz: „ingleichen die nach §& 107 der Verf.=
Urk. bei der Verwaltung der Staatsschuldenkasse angestellten Beamten“ (vgl. oben § 25 Nr. 2).
Das fehlte im Entwurfe. Die Stände machten darauf aufmerksam, daß danach diese Beamten
ausgeschlossen wären, da der sie anstellende „ständische Ausschuß“ keine Staatsbehörde sei; sie ge-
hörten aber dazu, denn sie trügen „alle charakteristischen Merkmale der Staatsdiener“: sie „nehmen
Stellen ein, mit denen ein bestimmtes jährliches Einkommen aus der Staatskasse verbunden ist,
und ihr Amt ist ein beständiges öffentliches“ (Landt.-Akten 1833/34 1. Abt. 4. Bd. S. 9