l 28. Das Staatsdienerrecht. 239
Sie bestehen in Verweis und in Geldstrafen von 6, 15, 30 und 60 M. und sind in dieser
Stufenfolge zu verwenden. Zuerst wird der Verweis erteilt und die 6 M.-Strafe ange-
droht mit neuer Frist, nach deren Ablauf diese verhängt und die nächsthöhere angedroht
wird, und so bis zum Ende. Der Strafvollzug geschieht durch Kürzung vom Gehalte.
Sind diese Ordnungsstrafen erschöpft, ohne daß der Zweck erreicht worden wäre, so
kommt es darauf an, von welcher Art die geschuldete Amtsverrichtung ist. Kann sie ihrer
Natur nach auch von einem anderen als dem Schuldigen vorgenommen werden, so greift
das Ersatzvollzugsverfahren Platz: ein geeigneter Beamter wird beauftragt, das Geschäft
an seiner Stelle zu besorgen; die daraus erwachsenden Kosten (Entschädigung des Beauf-
tragten vor allem) werden dem Säumigen zur Last gelegt. Ist dagegen das eigene Handeln
das Staatsdieners unentbehrlich, um die Sache ordnungsmäßig zu erledigen (Rechnungs-
ablegung, Herausgabe der nötigen Grundlagen dazuy, so setzen nach Staatsdienerges.
&16 stärkere Zwangsmittel ein: der Vorgesetzte kann über den Ungehorsamen „Haus-
und Zimmerarrest oder resp. Gefängnisstrafe“ verhängen. Eine Zeitgrenze ist für diese
Maßregeln insofern gegeben, als sie immer sofort wegfallen, wenn entweder die Leistung
erfolgt oder der — freiwillige oder gezwungene — Austritt aus dem Dienst. Diese Frei-
heitsstrafen sind durch ministerielle Anordnung (Kommunikat des Ministers d. Innern
v. 5. März 1877) tatsächlich außer Übung gesetzt. Man wird jetzt in solchen Fällen das
Herauszugebende im Verwaltungswege wegnehmen lassen und im übrigen das Diszi-
plinarverfahren einleiten.
— Das Disziplinarverfahren hat zum Zweck eine Besserung im Zu-
stande des öffentlichen Dienstes, welche sich durch das zu mißbilligende Verhalten eines
Staatsdieners als notwendig erwiesen hat. Es richtet sich gegen diesen, um entweder
ihn selbst zu bessern und dadurch den durch ihn mangelhaft gewordenen Zustand des öffent-
lichen Dienstes, oder durch sein erzwungenes Ausscheiden den öffentlichen Dienst von
dieser Mangelhaftigkeit zu befreien.?") Die Mittel sind zugleich Uübel, welche dem Be-
treffenden obrigkeitlich zugefügt werden aus Anlaß seines mißbilligten Verhaltens, also
Strafen, Disziplinarstrafe n.2s)
Das Verhalten, welches zu solchen Maßregeln Anlaß geben kann bezeichnet das Gesetz
als Disziplinarvergehen oder Dienstvergehen. Sie sind ganz allgemein
bestimmt als Verletzung der Amtspflicht und unwürdiges Verhalten, lassen also dem Er-
messen der Behörde großen Spielraum.
strafensystem des R. B. G. anschließt, hat diese Bezeichnung nicht übernommen. Jedenfalls sind
die Ordnungsstrafen des Staatsdienergesetzes § 16 etwas anderes. Das Ges. vom 8. März 1879 18
scheint unter den „Ordnungsstrafen“, welche die Polizeibehörden „auf Grund der ihnen zustehenden
Dienst= und Disziplinargewalt über die von ihnen ressortierenden Personen“ auszusprechen befugt
sind, beides zusammenfassen zu wollen. — Das Wort Ordnungsstrafe bedeutet bekanntlich so
vielerlei, daß man sich nicht darauf verlassen kann.
27) Das Staatsdienerges. § 26 u. § 27 hatte das „Besserungsverfahren“, dem die Dienstbe-
hörde vorstand, geschieden von dem Fall, wo es auf Amts-- und Dienstentlassung ging und folglich
die Anstellungsbehörde eintrat.
28) Das Ges. vom 3. Juni 1876 § 15 ff. setzt wie das R.B. G. neben diesen Disziplinarstrafen
die Möglichkeit „mit Tadel verbundener Einschärfungen“, formloser „Ermahnungen, Zurecht
weisungen und Rügen“ voraus, die der Vorgesetzte kraft seiner Aufsichts-- und Leitungsgewalt an
den Untergebenen richten kann (Ges. Minist.-Beschl. vom 29. Dez. 1876; Krische, Sächs. Staats-
dienerges. Note 1 zu Ges. von 1876 + 16; Laband, Staats-R. 1 S. 458). Im Gegensatz zu
jeder Art von Strafverfügung sind das Meinungsäußerungen, die der Untergebene hinnehmen
muß, die aber für sich keine Rechtsbedeutung haben; sie sind weder Urteile, noch Verwaltungsakte.