Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

8 5. Die Staatsgewalt. 15 
  
Wenn wir annehmen wollten, durch ausdrückliche Gesetzesbestimmung könne dieses 
natürliche Verhältnis geändert und der König gleichwohl rechtlich unter eine juristische 
Persönlichkeit „Staat"“ gestellt werden, die er nur zu vertreten hätte, so fänden wir dafür 
Anhaltspunkte nur in einer ganz bestimmten Beziehung: der Staat als Vermögens- 
subjekt, der Staat in privatrechtlicher Hinsicht, der Staat als Fiskus ist ja von der zivi- 
listischen Theorie schon seit lange in die Reihe ihrer juristischen Persönlichkeiten auf- 
genommen worden. Von ihm allein handeln auch die hier in Betracht kommenden Ge- 
setzestexte. Seltsam wäre es immerhin, wenn der Staat gerade nur soweit juristische 
Person wäre und in der Hauptsache nicht. Aber es ist auch tatsächlich nicht in diesem Sinne 
gemeint: es handelt sich immer nur um eine kurze Bezeichnung der Voraussetzungen, 
unter welchen bestimmte Rechtsordnungen auf die staatlichen Geschäfte und die daraus 
entstehenden Beziehungen anwendbar gemacht werden sollen. Noch bis Anfang des 
19. Jahrhunderts wurde in Sachsen der Ausdruck fiscus vornehmlich gebraucht, um gewisse 
landesherrliche Vorrechte gewinnbringender Art, die jura fisci, zu betiteln. Als die Ver- 
faffung beraten wurde, spielte das Wort eine große Rolle: der bisherige königliche Fiskus 
wurde zum Staatsfiskus, um auszudrücken, daß über dieses Vermögen fortan der König 
nicht mehr allein, sondern nur mit Zustimmung der Stände verfügen kann, daß es gemein- 
sames Vermögen sei, wenn man will; aber das Verhältnis ist doch so verwickelt, daß man 
lieber sagt: es gehört dem Fiskus.5) Vor allem ist jetzt vom Fiskus die Rede, wenn ver- 
mögensrechtliche Rechtsstreitigkeiten mit den Untertanen auszufechten sind; dafür bestimmt 
Verf.-Urk. § 50, daß der „Fiskus“ vor den ordentlichen Gerichten Recht nimmt. Um- 
fassende Anwendbarkeit des Zivilrechts verordnete das Sächsische Bürgerliche Gesetzbuch 
von 1863 F+ 52: „das Recht der Persönlichkeit steht dem Staate, sofern er in Verhältnisse 
des bürgerlichen Rechtes eintritt, . zu“". Das neue B. G.B setzt das nämliche stillschwei- 
gend voraus. Wenn es in § 89 bezüglich eines einzelnen Punktes (Haftbarkeit des rechts- 
sähigen Vereins) seine Vorschriften unter anderen auch auf den „Fiskus“ ausdrücklich 
anwendbar erklärt und diese Bestimmung überschreibt „Juristische Personen des öffentlichen 
Rechts“, so hat es damit doch sicherlich das Wesentliche an der juristischen Person, das innere 
Verhältnis, das hinter dem zusammenfassenden Namen und den zu ordnenden äußeren 
zuerst einen „Zustand“, in dem nämlichen Sinne, wie wir ihn als eine „äußerliche Ordnung“ be- 
zeichneten. „Um einen kurzen Ausdruck zu gewinnen“, sagt er aber dann dafür „Land und Leute“ 
und kommt so zu dem Ergebnisse, daß der Staat, weit entfernt, Subjekt der Herrschaft zu sein, 
vielmehr ihr Objekt ist: der König herrscht über den Staat. Seydel macht hier dieselbe Begriffs- 
verschiebung, wie sie so häufig unter dem Einflusse republikanischer Anschauungen bemerkbar wird: 
er meint Staat und Bolk als Eines. Nur tut er es, gut monarchistisch, gerade zu dem entgegen- 
gesetzten Zwecke: er verwahrt sich dagegen, daß der König seine Gewalt aus einer „üÜbertragung 
durch das Volk oder den „Staat“ ableite“; der Staat (— Volk) ist für ihn notwendig Objekt statt 
Subjekt. — Wir bleiben besser bei Seydels erstem Wort: der Staat ist nicht das Volk, sondern 
Zustand, äußerliche Ordnung, und als solche weder Subjekt noch Obiekt. Der König als „Ober- 
haupt des Staates“ steht selbst in dieser Ordnung darinnen als ihre Spitze und ihr vornehmstes 
Glied; er herrscht im Staate, aber er beherrscht nicht den Staat. Aber voll ist Seydel im 
Rechte gegen das Bestreben, den Staat als das eigentliche Subjekt über den König zu stellen, 
sei es in Gestalt einer echten juristischen Person, sei es in der noch schwerer verständlichen Ge- 
sünt eines „Organismus“. „Man verläßt den Boden der Wirklichkeit“, meint er hier sehr zu- 
leffend. 
Über die Frage der Verwertbarkeit des Begriffs der urisischen Person für den Staat vgl. 
Staatsrechtliche Abhandlun Teen Festgabe für Laband, 1 S. 46 ff. 
- *J unten 5& 11, I Nr. 1, wo gerade über das Recht am Staatsgut ausführlicher gehandelt 
werden so
	        
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