Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

258 Fünfter Abschnitt: Die Staatsbehörden. 8 30. 
  
innere Staatsverwaltung“ (z 23, I). In den Motiven des Gesetzentwurfes aber wurde 
allen Ernstes die Frage erwogen, ob es nicht möglich wäre, auch ohne diese „provinziellen 
Organe“ auszukommen, so daß die Amtshauptmannschaften unmittelbar unter dem Mi- 
nisterium stünden.:) 
Kreishauptmannschaft und Amtshauptmannschaft stehen in einem gemeinsamen 
Gegensatze zur obersten Verwaltungsstufe, insofern, als bei ihnen das gelehrte Be- 
rufsbeamtentum zur vollen Geltung kommt. Während dort wenigstens die Haupt- 
person, der Minister, keine andere persönliche Voraussetzung zu erfüllen hat, als daß er 
das Vertrauen des Königs habe, wird hier der allgemeine Grundsatz, der für alle zu be- 
hördlicher Tätigkeit bestimmten Berufsämter (höhere Verwaltungsämter) den Nachweis 
der erworbenen Fähigkeit zum Richteramte oder die Ablegung der besonderen Prüfung 
für den höheren Verwaltungsdienst fordert, schlechthin durchgeführt.2) 
Zugleich erscheint auf diesen Stufen auch ein Gegensatz zu der eigentümlichen Mit- 
arbeiterschaft, welche die Minister im Staatsrat finden: es ist das zur Bildung der Kreis- 
ausschüsse und Bezirksausschüsse verwendete Pflicht-Ehrenamt. Die ehrenamt- 
lichen Mitglieder beider Ausschüsse werden gewählt von der Vertretung des nächsten 
Selbstverwaltungskörpers.3) Wer keinen der vorgesehenen Ablehnungsgründe geltend 
machen kann, ist verpflichtet, das Amt zu übernehmen und auf die gesetzliche Dauer von 
6 Jahren zu führen. Nichterfüllung der Pflicht zieht Geldstrafen nach sich. . 
I. Das Org.-Ges. hatte seine Kreishauptmannschaften einfach an die Stelle der bis- 
herigen vier Kreisdirektionen gesetzt, mit den Sitzen in Bautzen, Dresden, Leipzig und 
Zwickau. Ihre Amtsbezirke entsprachen nicht mehr der alten Kreiseinteilung, die in ge- 
wissen Beziehungen trotzdem noch fortwirkte.) Daher vermied man es, ihnen den sonst 
naheliegenden Namen „Kreis“ zu geben und behalf sich mit anderen Ausdrücken, von 
welchen „Regierungsbezirk“, obwohl ganz willkürlich gemacht, doch der üblichste, „Kreis- 
hauptmannschaftlicher Verwaltungsbezirk“ der korrekteste ist;e) bei kurzer Redeweise bedeutet 
1) Landt.-Akten 1871/73 Abt. I Kal. Mitteil. Bd. 2 S. 442 ff. Für die Beibehaltung 
werden nicht weniger als fünf Gründe angeführt. Als letzter Grund erscheint die rätliche Über- 
einstimmung mit allen größeren Staaten: Preußen, Bayern, Württemberg, „in gewisser Be- 
iehung auch Baden.“ Hier kann nur an die Badischen Landeskommissäre gedacht sein, die aller- 
dings Delegierte (Bevollmächtigte) des Ministeriums in noch ausgeprägterem Sinne sind (Bad. 
Verw.-Ges. vom 5. Okt. 1863 K 1, §J 22). Daß man sie hier überhaupt in Bergleich zu ziehen wagt, 
EeEnnzeichnet am besten die Auffassung von der Stellung der Kreishauimoannschaft. Bgl. unten 
ote 12. " 
2) Verord. vom 9. Dez. 1897; Verord. vom 22. Dez. 1902; Verord. vom 1. Febr. 1904; 
Verord. vom 26. Febr. 1904. 
3) Als Vorbilder dienten: das Bad. Verw.-Ges. vom 5. Okt. 1863 und der Preuß. Entw. der 
Kreisordnung vom 27. Sept. 1869. 
4) Org.-Ges. § 14 und § 30. Die Anwendbarkeit der auf unentschuldigte Ablehnung eines 
Gemeindeamtes gesetzten Strafen ergibt sich aus der in 8 14 Abs. 5 enthaltenen Verweisung: 
F. Wach, Org.-Ges. S. 80. · 
5) Nämlich für Wahlen der Rittergutsbesitzer zum Landtag und für kreisständische Ange- 
legenheiten (oben §& 15 Note 18, unten §3 33, II Nr. 3). Vgl. auch oben § 27 Note 16. Die Berord. 
wegen Errichtung von Kreisdirektionen vom 6. April 1835 5Kl 5 hatte gerade wegen dieses 
Auseinanderfallens der Kreise die einzelnen Kreisdirektionen ausdrücklich bezeichnet, die jedem 
der „ständischen“ Kreise entsprechen und zur Leitung seiner Angelegenheiten berufen sein sollten. 
65) Ausf.-Verord. z. Org.-Ges. vom 20. Aug. 1874 §& 2: „Das Königreich Sachsen wird. 
in 4 kreishauptmannschaftliche und 24 amtshauptmannschaftliche Verwaltungsbezirke eingeteilt.“ 
Die alten Kreisdirektionen wurden gerade im Gegensatz zu den kreis= und provinzialständischen 
Angelegenheiten als „Regierungsbehörden“ bezeichnet (Verord. 6. April 1835 K§ 5 u. 6), daher 
ihr Verwaltungsbezirk als „Regierungsbezirk“. Dieser Name fährt auch unter der Kreishauptmann- 
schaft fort, die Stelle des richtigeren zu vertreten, da für diesen das alte Hindernis fortbesteht.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.