260 Fünfter Abschnitt: Die Staatsbehörden. 8 30.
Regelmäßig handelt er in der Eigenschaft eines „unmittelbar delegierten Or—
gans der Staatsregierung“. Das will sagen, daß er damit Zuständigkeiten des Mini-
steriums an dessen Stelle wahrnimmt, die also das Ministerium unmittelbar auch selbst
wahrnehmen könnte. 13) In dieser Weise ist er vorgesetzte Dienstbehörde für alle dem
Ministerium des Innern unterstehenden Verwaltungsbeamten seines Bezirkes, Ge-
meindeaufsichtsbehörde für die Städte mit Revidierter Städteordnung, und ist überdies
eingetreten in den ganzen Geschäftskreis, welcher der Kreisdirektion überwiesen worden
war, selbstverständlich nur, soweit nicht das Gesetz jetzt anderweit darüber verfügt, was
insbesondere zugunsten der Amtshauptmannschaft geschehen ist. Dieser Geschäftskreis
umfaßt weite Zuständigkeiten aus dem Gebiete des Ministeriums des Innern, namentlich
die „gesamte Polizeiverwaltung“", dazu noch mehreres aus dem Gebiete der Ministerien
der Finanzen und des Krieges.4
Dem stellt das Gesetz die Fälle gegenüber, in welchen die Kreishauptmannschaft
„als entscheidende Behörde“ gerkennt“. Das bedeutet jedesmal eine feste
eigene Zuständigkeit der Kreishauptmannschaft, welcher auch das Ministerium nicht
vorgreifen kann. Von den drei Nummern, welche das Org.-Ges. § 23, II aufführt, kommt
hier lediglich § 23, IIa Nr. 1 in Betracht: „Angelegenheiten, in welchen die Beschlußfassung
und Verfügung durch die Reichs= und Landesgesetzgebung der „höheren Verwaltungs-
behörde“ oder „Regierungsbehörde“ übertragen ist.“'15)
2. Als Kolle gium geordnet entscheidet die Kreishauptmannschaft in zweiter In-
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schäftszweige der Kreishauptmannschaft, namentlich aufsehende und entscheidende Tätigkeit, mehr
auseinander gehalten werden“ (Landt.-Mitt. 1871/73 I. Kammer Bd. 2 S. 1160; Ständische Schrift
vom 4. März 1873, Landt.-Akten 1871/73 Abt. I Bd. 3 S. 789).
13) Org.-Ges. § 23, I. Was der Gesetzgeber unter einem „delegierten Organ der Regierung“
verstand, erhellt am besten aus den gleichzeitigen Bestimmungen über die „delegierten Beamten
der Amtshauptmannschaft“ (unten Note 22). Vgl. auch die Landtagsverhandlungen über die
„unmittelbar delegierten Organe der Staatsregierung" für die Militärangelegenheiten usw. in
exemten Städten (Org.-Ges. § 9 Abs. 2; Landt.-Mitt. 1871/73 2. K. Bd. 3 S. 2978), sowie über
die Delegierung, Beauftragung einzelner Mitglieder durch den Bezirksausschuß (Org.-Ges. § 19;
Landt.-Mitt. 1871/73 2. K. Bd. 3 S. 3058). Die Motive zum Org.-Ges.-Entw. bezeichnen im
Gegensatz zu den „Verwaltungsbehörden erster Instanz“ die Kreishauptmannschaften als die
„provinziellen Organe“, deren die Regierung bedarf, damit sie „als ihre unmittelbaren Reprä-
sentanten" zur Überwachung, Kenntnisnahme und Ausführung allgemeiner Maßnahmen an
den Zentralstellen der Kreise des Landes ihre Wirksamkeit entfalten (Landt.-Akten 1871/73 Abt. I
Kgl. Mitt. Bd. 2 S. 443). — Daß der Kreishauptmannschaft hier diese eigentümliche Rechts-
stellung angewiesen ist, das hat natürlich bedeutsame Folgen; vgl. unten III Nr. 1.
14) Verord. vom 6. April 1835 5 7, & 11; die in § 13 erwähnten Angelegenheiten des Kultus
und öffentlichen Unterrichts sind teils auf dieses Ministerium, teils auf das Landeskonsistorium
übergegangen. Zusammenstellung bei F. Wach, Org.-Ges. S. 93 u. 94. -
15) Die Motive zogen sogar aus den reichsgesetzlichen Verweisungen auf die „höhere Ber-
waltungsbehörde“ einen Grund für die Beibehaltung der Kreishauptmannschaften (Landt.=
Akten 1871/73 Abt. I Kgl. Mitt. Bd. 2 S. 444). Wenn es aber einmal als dem Willen des Reichs-
gesetzes entsprechend angesehen wird, daß gerade diese Behörde entscheide, dann darf sie aller-
dings dabei auch nicht als bloße „Delegierte“ des Ministeriums angesehen werden; das ist folge-
richtig. In gleicher Weise ist die Kreishauptmannschaft mit eigner Zuständigkeit ausgestattet,
wo sie als „Landespolizeibehörde“ im Sinne des Stf.G.B. zu handeln hat (Verord. vom 14. Dez.
1870 § 6; Verord. vom 22. Aug. 1874 § 4). — Auf die „Regierungsbehörde“ verweist kein Reichs-
gesetz; der Ausdruck ist dem Sächsischen Sprachgebrauch vor 1873 entnommen; vgl. oben Note 6.
Es wird auch nicht leicht vorkommen, daß ein Landesgesetz sich jetzt noch dieses unbestimmten Aus-
drucks bedient, um zu sagen, daß die Kreishauptmannschaft eine gewisse Angelegenheit selbständig
und in eigner Zuständigkeit zu erledigen habe. — Für die beiden anderen Fälle, welche Org.-Ges.
§P.23, II aufführt: Administrativjustizsachen (II a Nr. 2; vgl. unten # 31 eingangs) und Rekurs-
zuhebbune (IIIhb:; vgl. auch unten Nr. 2) versteht sich die Forderung eigner Zuständigkeit
von selbst.