g 30. Kreishauptmannschaft und Amtshauptmannschaft. 261
stanz über förmliche Beschwerden gegen Anordnungen, welche in Sachen allgemeiner
Landesverwaltung von Amtshauptmannschaften und ihnen gleichgestellten Behörden
(Stadträten in Städten mit Rev. St.-Ord. und Polizeiämtern bezw. Polizeidirektionen
zu Leipzig, Chemnitz und Dresden) erlassen worden sind. 10)
3. An der Tätigkeit des Kreisausschusses unterscheiden sich wieder zwei
Arten, je nach dem er auftritt:
— als „zur Entscheidung berufenes Organ.“ Hier ist er Beschwerde-
instanz gegen Entscheidungen der Bezirksausschüsse über Beiträge und persönliche Lei-
stungen für den Bezirk und der Stadträte in Städten mit Rev. St. Ord. über Beiträge
und persönliche Leistungen für die Gemeinde und zu Zwecken der Armenversorgung und
über Einsprüche in bezug auf Stimmberechtigung und Wählbarkeit bei öffentlichen
Wahlen (Org.-Ges. &J 27 Nr. 1). Ferner gehören ihm wichtigere gewerbepolizei-
liche Verfügungen (Org.-Ges. § 27 N. 2) und was ihm sonst noch durch besondere
Gesetze überwiesen wird; namentlich auf dem Gebiete der Gemeindeaufsicht wirkt er sehr
bedeutsam mit.17)
— als „beratendes Organ“" (Org.-Ges. § 28). Damit verhält es sich folgender-
maßen. Gesetze und Verordnungen schreiben mehrfach vor, daß eine Maßregel des Mi-
nisteriums oder des Kreishauptmanns „nach Gehör des Kreisausschusses“ zu erlassen sei.
Dann kommt die Sache bei diesem zur Beratung und Aussprache. Daß das geschehe, ist
aber reine Formvorschrift: die dabei ausgesprochene Ansicht ist für die sachliche Entscheidung
des Ministeriums oder Kreishauptmanns in keiner Weise bindend. Verabsäumung der
Form hat Rechtsungültigkeit der ergehenden Anordnung zur Folge.15)
Der Kreishauptmann kann auch freiwillig in Sachen seiner alleinigen Zuständigkeit,
bevor er sich schlüssig macht, im Kreisausschusse mit den anderen Mitgliedern sich
beraten, und zwar in mehr oder weniger formloser Weise. Auch die Ministerien sind befugt,
für die ihnen zustehenden Anordnungen, wo sie es für gut halten, Meinungsäußerungen
16) Org.-Ges. § 23, II b und § 25. Daß diese Dinge kollegial zu behandeln seien, ist erst auf
Veranlassung der Stände in das Gesetz gekommen (Landt.-Mitt. 1871/73, I. Kammer Bd. 2 S. 1166;
Landt.-Akten 1871/73 Abt. I Bd. 3 S. 790). Der Regierungsentwurf wollte mit der „seitherigen
kollegialen Verfassung der Kreisdirektionen“ gründlich aufräumen und die „Garantien“ für die
„entscheidende Tätigkeit“ nötigenfalls durch Zuziehung des Kreisausschusses geben lassen (Motive
in Landt.-Akten 1871/73 I. Abt. Kgl. Mitt. Bd. 2 S. 445). ·
17) Zusammenstellung bei F. Wach, Org.-Ges. S. 99ff.
18) Der Vorgang ist ein recht wesentlich verschiedener je nachdem das Ministerium „nach
Gehör des Kreisausschusses“ entscheiden soll oder der Kreishauptmann. Ersteres schreibt z. B.
Rev. St.-Ord. § 8 vor, wenn das Ministerium einzelne Grundstücke gegen den Willen der Beteiligten
mit einem Stadtbezirk vereinigen will. Dann faßt der Kreisausschuß, bestehend aus Kreishaupt-
mann und ehrenamtlichen Mitgliedern, als kollegiale Behörde einen Beschluß über die zu äußernde
Meinung und legt diesen dem Ministerium vor. Es handelt sich dann, wie Rev. St.-Ord. § 136
in einem ähnlichen Falle es nennt, um eine dem Ministerium erstattete „Begutachtung“. Dagegen
soll nach Rev. St.-Ord. § 92 auch der Kreishauptmann zuvor den Kreisausschuß „hören“, wenn
er einem gewählten Bürgermeister die Bestätigung zu versagen gedenkt. Der Kreisausschuß,
der hier gehört wird, besteht natürlich nur aus den „Laienmitgliedern“, also mit Abzug seiner
Hauptperson, die der Kreishauptmann selbst ist. Diese Laienmitglieder bilden für sich kein Kolle-
gium, das mit Stimmenmehrheit entscheidet. Sachgemäß würde es also sein, daß man sich ein-
fach in gemeinsamer Sitzung bespricht, und daß und wie dies geschah, ein Protokoll feststellt. Dabei
bleibt dann auch die Tatsache unverhüllt, daß der Kreishauptmann allein und auf seine alleinige
Verantwortung beschließt. Man kann ja am Ende auch hier ein förmliches Gutachten vom Kreis-
ausschusse, also unter Mitwirkung des Kreishauptmanns, beschließen. Für einen verantwortungs-
scheuen Kreishauptmann wird es nur sehr schwer werden, nachher bei der sachlichen Entscheidung
noch seinen selbständigen Weg zu gehen, wie er nach der Absicht des Gesetzes doch soll.