Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

18 Erster Abschnitt: Grundlagen des Staatswesens. 8 6. 
  
wendig voraus ein räumlich abgegrenztes Stück der Erdoberfläche, für welches sie mit 
ihrer obersten Gewalt eingerichtet ist. Das patriarchalische Regiment begnügt sich, seine 
Stammesgenossen in Bann zu halten, stößt Fremdes ab oder ignoriert es. Der Staat 
kann seinem Zweck, die Leiblichkeit der geschichtlichen Erscheinung eines Volkes zu sein, 
nur nachkommen dadurch, daß er für diese einen bestimmten Raum der Erde in Anspruch 
nimmt und mit seiner Herrschaft erfüllt. Alles Leben, das auf diesem Raum erscheint, 
unterliegt seiner Ordnung und keiner anderen. So nur ist er für die dazu gehörigen 
Menschen das, was er sein soll: Ordnung einer obersten Gewalt. 
Es ist unrichtig, von Gebietshoheit zu sprechen im Sinn eines besonderen 
Hoheitsrechtes neben den anderen; alle Hoheitsrechte (wenn man überhaupt den Aus- 
druck noch gebrauchen will) üben sich aus nach Maßgabe des Gebietes. Will man es recht 
spitz nehmen, so mag man auch den Ausdruck Gebietsherrschaft verwerfen. In- 
sofern herrschen eine Rechtsbeziehung andeutet, besteht sie nur gegenüber Menschen.2) 
Danach müßte man freilich auch das privatrechtliche Sachenrecht anders nennen; denn 
auch hier besteht ja keine Rechtsbeziehung zur Sache. In beiden Fällen handelt es sich 
aber doch nur um eine kurze Bezeichnung für alle Möglichkeiten von Rechtsbeziehungen, 
in welche man von der Macht über Gebiet oder Sache aus zu Menschen treten kann. Es 
ist kein Vorteil dabei, wenn man diese Dinge allzusehr verfeinert.) 
I. Der Umfang des sächsischen Staatsgebietes ist amtlich fest- 
gestellt auf 14 992,94 Quadratkilometer. Es bildet ein unregelmäßiges Dreieck. Die 
Grenze gegen Osterreich ist jetzt zugleich Reichsgrenze. Sie besteht seit alter Zeit 
im wesentlichen geradeso. Das auf die Oberlausitz treffende Stück ist durch den Traditions- 
rezeß vom 30. Mai 1635 zu einer Scheidelinie mit den Ländern der Böhmischen Krone 
geworden. Über einen gegenseitigen Austausch der Enklaven und endgültigen Vergleich 
wegen einiger Ortschaften kam am 5. März 1848 der Haupt--Grenz= und Territorialrezeß 
zustande. ) Die Grenze gegen Preußen beruht auf dem Wiener Friedensvertrag zwischen 
Sachsen und Preußen vom 18. Mai 1815, dessen darauf bezüglicher Inhalt wörtlich 
übernommen ist von der Wiener Kongreßakte vom 9. Juni 1815. Die genauere Fest- 
stellung erfolgte alsdann durch die Hauptkonvention vom 28. August 1819, Art. 1.5) 
Osterreich und Preußen bilden zugleich einen Teil der Westgrenze. Im übrigen sind 
hier Grenznachbarn: das Fürstentum Sachsen-Altenburg und das Großherzogtum Sachsen- 
Weimar; beiden gegenüber führt sich die Grenzziehung zurück auf die Auseinandersetzung 
mit den Ernestinern im Naumburger Vertrag vom 1554 (vgl. oben §5 1 S.2). Gegen- 
über Altenburg kam hier noch ein Vertrag zu Zeitz vom 23. Juli 1567 hinzu; gegenüber 
Weimar kommt in Betracht der Friedensvertrag mit Preußen von 1815 nebst Haupt- 
2) Jellinek, Recht des modernen Staates I S. 386. 
3) „Die Analogie zwischen der Gebietshoheit und dem Eigentumsrecht“ (Laband, St. R. 
I S. 174 Note 3) möchten wir deshalb wohl bejahen. Aber deswegen ist uns doch die Gebiets- 
hoheit nicht so einfach das ins Offentlichrechtliche übersetzte privatrechtliche Eigentum. Hier steht 
noch das öffentliche Eigentum dazwischen, das in der Tat nichts anderes ist als diese unmittelbare 
Übersetzung; daher auch der Übergang von öffentlichem Eigentum in privatrechtliches und um- 
gekehrt. Beim Gebiete trifft das nicht zu. Die Analogie ist eine entferntere. — Nicht allzu streng 
sein gegen vergleichende Bezeichnungen, aber auch nicht mit solchen vergleichenden Ausdrücken 
allzu cht die wesentlichen Unterschiede totschlagen wollen, das dürfte wohl der rechte Mittel- 
weg sein. 
4) Ges.= u. Verord.-Bl. 1848 S. 59 ff. 
5) Ges.-Samml. 1819 S. 237.
	        
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