Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

g 32. Die Gemeinden. 283 
  
Männliches Geschlecht ist nicht erfordert; Frauen sind aber insofern erschwerenden 
Bedingungen unterworfen, als bei ihnen der Wohnsitz allein, bei noch so langer Dauer, 
nicht genügt; sie müssen ansässig sein. Ansässigkeit ist Wohnsitz in der Gemeinde 
mit Grundbesitz. 
Dazu muß noch kommen die Abwesenheit besonderer Ausschlußgründe: in 
den letzten 2 Jahren empfangene Armenunterstützung, noch schwebendes Konkursver- 
fahren, Amtsentsetzung und Suspension, Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, Polizei- 
aufsicht, zweijähriger Steuerrückstand.15) 
In der Stadt dagegen schließt die Stimmberechtigung nicht so unmittelbar an die 
Gemeindemitgliedschaft an. Vielmehr wird hier erst noch eine Zwischenstufe einge- 
schoben: der Erwerb des Bürgerrechts. Das Bürgerrecht wird erteilt vom 
Stadtrat. Es muß aber, auf sein Gesuch, jedem Gemeindemitglied15) erteilt werden, 
welches die besonderen Voraussetzungen der Stimmberechtigung erfüllt: Sächsische Staats- 
angehörigkeit, zurückgelegtes 25. Lebensjahr, Ansässigkeit im Gemeindebezirk oder Wohnsitz 
daselbst seit wenigstens 2 Jahren und, wie das Gesetz hier hinzufügt, Entrichtung einer 
direkten Staatssteuer von mindestens 3 M. 1). Männliches Geschlecht ist nicht erfordert. 
Frauen unterliegen auch keinen erschwerenden Bedingungen für den Erwerbz ihre Rechts- 
benachteiligung kommt erst später zum Vorschein. Bei dem Antragsteller dürfen außerdem 
zur Zeit keine Ausschlußgründe vorliegen, welche seine Teilnahme an einer Wahl un- 
zulässig machen würden. 183) — Wer in solcher Weise fähig wäre, das Bürgerrecht zu erlangen, 
der kann unter gewissen weiteren Voraussetzungen, die ihn als zur Teilnahme an Ge- 
meindeangelegenheiten noch mehr berufen erscheinen lassen, zum Erwerb des Bürgerrechts 
vom Stadtrat gezwungen werden. Diese weiteren Voraussetzungen sind: 
— miännliches Geschlecht;15) 
— dreijähriger Wohnsitz im Gemeindebezirk; 
— Entrichtung einer direkten Staatssteuer von 9 M. 
15) L.G.-Ord. § 35. Die Ordnung der Ausschlußgründe in der L.G.-Ord. von 183815 29 
war veraltet. Das Gesetz vom 3. Dez. 1868, die Wahlen für den Landtag betr., hatte eben 
erst die hierfür geltenden Ausschlußgründe neu geregelt. Aber die L. G.-Ord. hat auch schon die 
neue Reichsgesetzgebung zu berücksichtigen und weicht deshalb noch einmal vom Landtagswahl- 
recht ab. Die Übereinstimmung wird hergestellt durch das A-Gesetz vom 27. März 1896. Abwei- 
chungen bestehen nur insofern, als das letztere Gesetz weibliches Geschlecht als Ausschlußgrund 
behandelte — wovon die neueste Gesetzgebung abgekommen ist; vgl. oben § 17 Note 6 — und 
Bevormundung besonders erwähnte. Die L.G.-Ord. begreift die Bevormundung unter der 
Rubrik h: Verlust der Selbständigkeit; auch dieser ist allerdings für sie wieder kein richtiger „Aus- 
schlußgrund“, weil ja stimmberechtigt nur Gemeindemitglieder sind (§ 33) und zur Gemeinde- 
mitgliedschaft Selbständigkeit gehört (§ 14). — Entziehung des Stimmrechts findet statt wegen 
Nichterfüllung der Pflicht zur Annahme einer gemeindlichen Wahl; vgl. unten Note 43. 
16) Ausgenommen die juristischen Personen Rev. St.-Ord. § 20 Abs. 2. 
17) Rev. St.-Ord. & 17 Ziff. 5. Statt Ansässigkeit oder zweijähriger Dauer des Wohnsitzes 
genitgt es auch, daß der Zugezogene in einer anderen sächsischen Stadt bisher das Stimmrecht 
esaß: Rev. St.-Ord. § 17 Ziff. 7. Dieses und der obige Zensus sind hier die zwei Besonder- 
heiten gegenüber dem, was die L.G.-Ord. als Voraussetzung des Stimmrechts fordert. 
18) Man muß das etwas zusammensuchen: Rev. St.-Ord. §.17 Ziff. 3, 4 u. 6, &18, mit §#&44 lit. 
b—f geben zusammen # 44 lit. a„g. Was darunter nicht begriffen ist, gehört nicht zu den Aus- 
Eiwunsienbunben, sondern bedeutet Verneinung der Befähigungsgründe, der positiven Voraus- 
etzungen. 
19) Rev. St.-Ord. 8 17 Abs. 2 A. Es wäre auch zu schnöde, die „Frauenspersonen“ zum Er- 
werb des Bürgerrechts zu zwingen, wenn ihnen dann in 44 die Hauptsache davon, das Stimm- 
recht, sofort wieder versagt sein soll. Die beiden anderen Voraussetzungen stellen nur gesteigerte 
Befähigungsgründe vor.
	        
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