5 32. Die Gemeinden. 285
Die Zahl der Stadtverordneten muß das Statut bestimmen: es sollen ihrer
mindestens 9 sein. Mindestens die Hälfte muß aus solchen Bürgern bestehen, welche mit
Wohnhäusern im Gemeindebezirk ansässig sind.") Das Gesetz schreibt Drittelserneuerung
nach 1 oder 2 Jahren vor, so daß also die Wahl auf 3 oder 6 Jahre wirkt. Sie ist eine direkte
und geschieht mittels verdeckter Zettel. Es genügt, die relative Mehrheit der abgegebenen
gültigen Stimmen zu haben, um gewählt zu sein. Dem Statut ist es aber freigelassen,
andere Anforderungen zu stellen, insbesondere kann es auch vorschreiben, „daß die Wahl
nach gewissen Klassen der Bürgerschaft erfolge“. 5) Wählbar ist jeder Stimmberechtigte
der im Stadtbezirke seinen Wohnsitz hat.25) Mitglieder des Stadtrates und besoldete Ge-
meindebeamte können die Wahl nur annehmen, wenn sie ihr Amt niederlegen; 27) Staats-
und Hofbeamte, Geistliche, Lehrer an öffentlichen Schulen und aktive Militärs bedürfen
zur Annahme der Genehmigung ihrer Vorgesetzten (Rev. St.-Ord. &47 Abs. 2). Abge-
sehen von solchen Hindernissen muß die Wahl angenommen werden, wenn keiner der im
Gesetze vorgesehenen Ablehnungsgründe geltend zu machen ist. Die Stadtverordneten
entscheiden über diese.23) Wer sich ungerechtfertigterweise der Pflicht entzieht, kann
vom Stadtrat in Geldstrafen genommen werden.5)
Die Stadtverordneten wählen einen Vorsteher und Stellvertreter, stellen ihre Ge-
schäftsordnung auf, verhandeln regelmäßig in öffentlichen Sitzungen und beschließen
nach einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen; zur Beschlußfähigkeit müssen ordent-
licherweise zwei Drittel der Mitglieder anwesend sein. 30)
Auch die Zahl der Mitglieder des Stadtrates bestimmt das Statut. Sie sind teils
Ehrenbeamte der Stadt, teils Berufsbeamte; für die letzteren bestimmt das Statut die
Besoldung. Ein besoldeter Bürgermeister muß überall vorhanden sein. Mindestens ein
Mitglied muß die Fähigkeit zum Richteramt oder höherem Verwaltungsdienst besitzen. 1)
24) Rev. St.-Ord. § 40. Hier wird also eine verstärkte Ansässigkeit gefordert; zum Begriff
der Ansässigkeit genügt es sonst, Grundbesitz überhaupt in der Gemeinde zu haben.
25) Dem Ortsstatut ist hier ein weiter Spielraum eröffnet, um Mannigfaltigkeiten zu ent-
wickeln. Zusammenstellung bei Häpe in Schrift. des Ver. f. Soz. Pol. 120 Bd. 4 S. 22. Als
Beispiel diene das Leipziger Ortsstatut vom 26. Okt. 1894. Es sind 72 Stadtverordnete zu wählen,
36 mit Wohnhäusern Ansässige, 36 andere. Die stimmberechtigten Bürger sind in drei Abteilungen
eteilt, jede wählt ein Drittel der Stadtverordneten, 12 Ansässige und 12 Unansässige. Die erste
Koteilung besteht aus den Höchstbesteuerten, welche zusammen fünf Zwölftel des Gesamtbetrages
der Steuerleistung aller Bürger aufbringen, mindestens aber 5 Proz. der Bürgerschaft umfassen
müssen. Die zweite umfaßt die Nächsthochbesteuerten bis zu 15 Proz. der Zahl der Bürgerschaft;
die dritte alle übrigen.
26) Rev. St.-Ord. § 46 Abs. 1; hier fallen also die auswärtigen (Forensen) weg.
27) Rev. St.-Ord. § 46 Abs. 2;: „können nicht zugleich Stadtverordnete sein.“ Es handelt
sich also um ein Hindernis für den tatsächlichen Eintritt in das Kollegium, nicht, wie Michel,
Komment. z. St.-Ord. S. 23, meint, um mangelnde Wählbarkeit. Die Stimmzettel, welche auf
solche Beamte lauten, sind also ültig und müssen gezählt werden, ganz wie im folgenden Falle.
28) Rev. St.-Ord. § 47 Abs. 3; der Abs. 4 gestattet ihnen, nach freiem Ermessen auch sonst
„aus erheblichen Gründen“ von der Annahme der Wahl zu entbinden.
29) Rev. St.-Ord. § 48. Die Geldstrafe geht auf 15—300 M. jährlich für die ganze Dauer,
auf welche die Wahl stattfand, also regelmäßig 6 Jahre. Für diese ganze Zeit ruht auch das Stimm-
recht des Bestraften.
30) Rev. St.-Ord. 71 ff. Die Geschäftsordnung regelt auch die Disziplin, welcher die Mit-
glieder unterstellt sein sollen. Die Strafbestimmungen lauten oft sehr scharf, werden aber keines-
wegs mit der gleichen Schärfe gehandhabt. — Rev. St.-Ord. § 47 (übereinstimmend L. G.-Ord.
#38) spricht von dem „Amt der Stadtverordneten“. Ein Amt im richtigen Sinne setzt immer öffent-
liche Dienstpflicht voraus. Ein solches liegt hier so wenig vor wie beim Landtags-Abgeordneten.
Die Annahmepflicht und die strengere Disziplin ändern daran nichts.
31) Rev. St.-Ord. § 84 Abs. 2 in der Fassung des Ges. vom 25. Febr. 1904. Das Statut
kann bestimmen, daß noch ein zweiter Bürgermeister anzustellen sei; es kann die Zahl auch noch