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durch Kenntnisnahme von Akten und Rechnungsprüfung, ein Recht der Anfrage und
der Beschwerde an die höheren Behörden. Dazu wird dort eine Reihe von Fällen auf-
gezählt, in welchen der Rat der Zustimmung der Stadtverordneten bedarf (Ortsgesetz,
Haushaltsplan, Erwerb und Veräußerung von Grundstücken ufsw.). Dieses Register
vermehrt sich noch durch sonstige gesetzliche Zuweisungen. Außerdem kann durch Orts-
gesetz der Wirkungskreis der Stadtverordneten erweitert, insbesondere ihre Zustimmung
auch bei Ernennung zu gewissen städtischen Amtern ausbedungen werden. Für das übrige
bleibt immer der Stadtrat selbständig. Grundsätzlich ändert sich diese Art der Machtver-
teilung auch nicht, wenn durch Statut Stadtrat und Stadtverordneten in Eins ver-
schmolzen werden, d. h. zu einem Stadtgemeinderat. Die Mitglieder des Stadt-
rates nehmen nur hier zugleich Teil an Beratung und Beschluß über die nach Obigem
den Stadtverordneten zugewiesenen Dinge; dafür gilt dann in diesen Dingen der Beschluß
des Gemeinderates zugleich als Beschluß des Stadtrates.“#
— Im Gegensatze dazu erhält bei den übrigen Arten von Gemeindeverfassung die
Ortsobrigkeit die Stellung einer durch den Willen des Volkes und seiner Vertretung ge-
bundenen Regierung. Der Schwerpunkt liegt bei diesem demokratischen Elemente.
Nach der St.-Ord. f. mittl. u. kl. Städte gehen alle Geschäfte des Stadtrates und
der Stadtverordneten — soweit das Gesetz nicht besondere Vorbehalte macht — auf den
Stadtgemeinderat über, in welchem ja die Stadtverordneten durch ihre Überzahl maß-
gebend sind. 15) Das gleiche bezweckt die L.G.-Ord. § 69, wenn sie bestimmt: „Der Ge-
meinderat bildet die beratende und beschlußfassende Behörde in allen Gemeindeangelegen-
heiten.“ In ganz kleinen Gemeinden erhält die nämliche Stellung die Gemeindever-
sammlung.o) Insbesondere geht hier überall die Wahl der Beamten und Angestellten
der Gemeinde von dieser Volksvertretung aus. S1)
Der Ortsobrigkeit, also dem Bürgermeister oder Gemeindevorstand und ihren Stellver-
tretern, ist vorbehalten die Vertretung der Gemeinde nach außen, die „obrigkeitliche Lei-
tung aller Gemeindeangelegenheiten“, insbesondere Aufsicht und Disziplinargewalt über
die Gemeindebediensteten, und die Ausführung der Beschlüsse von Stadtgemeinderat,
Gemeinderat, Gemeindeversammlung.2) Solche Beschlüsse sind grundsätzlich überall
einzuholen, wo die Sache sich dazu eignet, wo also etwas zu beschließen ist. Und die Orts-
obrigkeit ist dann daran gebunden. Eben deshalb ist hier ihr Beanstandungs-
recht besonders entwickelt: bei ungesetzlichen oder dem Gemeindewesen offenbar nach-
teiligen Beschlüssen kann sie die Ausführung vorläufig versagen und die Aufsichtsbehörde
anrufen zu endgültiger Entscheidung.“)
48) Rev. St.-Ord. &114 ff. Handelt es sich um Prüfung der Gemeinderechnungen und Erteilung
der Entlastung (F 68 Ziff. 20) oder um Behandlung von Rechtsstreitigkeiten zwischen der Stadt-
gemeinde und dem Stadtrat oder der Mehrzahl seiner Mitglieder (§ 113; über Gehaltsansprüche
z. B.), so haben die sämtlichen Ratsmitglieder sich der Teilnahme an Verhandlung und Abstimmung
zu enthalten (§ 116). — Vgl. die Abhandlung von Drache in Fischers Ztschft. 1897 S. 337.
49) St.-Ord. f. mittl. u. kl. St. vom 24. April 1873 Art. II.
50) L.G.-Ord. 31.
51) St.-Ord. f. mittl. u. kl. St. § 8; L.G.-Ord. F 69.
52) St.-Ord. f. mittl. u. kl. St. § 8; § 10; L.G.-Ord. 5 70, 5 72.
53) St.-Ord. f. mittl. u. kl. St. § 9; L.G.-Ord. K71. Im Bereiche der Rev. St.-Ord. kommen
Beschlüsse der Stadtverordneten, welche unmittelbar zur Ausführung geeignet wären, überhaupt
nicht leicht vor, von den Wahlen etwa abgesehen. Der Stadtrat hat auch hier das Recht, die Aus-
führung zu verweigern, aber nur, wenn die gesetzlichen Befugnisse der Stadtverordneten über-
schritten sind oder dem Gesetze zuwider gehandelt worden ist (Rev. St.-Ord. +#79).
Otto Mayer, Sächsisches Staatsrecht. 19