292 Sechster Abschnitt: Die Selbstverwaltung. 8 32.
Dabei ergibt sich aber nun ein bedeutsamer Unterschied zwischen den Städten Rev.
St.-Ord. einerseits und allen übrigen Gemeinden anderseits. Nur bei jenen ist die Orts-
polizei der Stadtobrigkeit schlechthin und ungeteilt übertragen. Bei den
Städten mit der St.-Ord. f. mittl. u. kl. St. wie bei den Landgemeinden findet hingegen
eine Teilung statt mit der Amtshauptmannschaft. Und zwar ist der Teilungsmaßstab
der, daß der Amtshauptmannschaft grundsätzlich die Verwaltung der Ortspolizei zusteht
für alle Gemeinden ihres Bezirks, den Gemeindeobrigkeiten nur gewisse besonders auf-
gezählte Stücke daraus übertragen sind. )
In den Städten Rev. St.-Ord. verwaltet die Ortspolizei der Stadtrat. Nur der be-
sondere Zweig der Sicherheitspolizei soll dem Bürgermeister persönlich an-
vertraut werden. Darunter ist verstanden die Tätigkeit zur Verhütung und Abwehr von
Störungen, welche der guten Ordnung des Gemeinwesens bereitet werden können durch
ordnungsfeindliche Menschen.“s)
In Leipzig, Chemnitz, Zwickau und Plauen wird die Sicherheitspolizei ausgeübt durch be-
sondere städtische Polizeiämter, mit einem städtischen Polizeidirektor an der
Spitze, der Mitglied des Stadtrates ist.“) In Dresden ist die Sicherheitspolizei von der
städtischen Verwaltung gänzlich losgelöst und einer königlichen Polizeidirektion
übertragen. Die Stadt zahlt einen vereinbarten Beitrag zu den Kosten.70)
Im Bereich der St.-Ord. f. mittl. u. kl. St. wird der übertragene Teil der Ortspolizei
ausgeübt vom Bürgermeister und seinem Stellvertreter, in dem der L. G.-Ord. durch den
Ortsvorstand und in seiner Stellvertretung durch den besonders hierzu berufenen Ge-
meindeältesten. 1)
Mit der Ortspolizei ist ein Verordnungsrecht verbunden, d. h. die Befugnis,
allgemeine Polizeibefehle zu erlassen mit Strafandrohung. Vor Erlaß solcher Polizei-
verordnungen sind in Städten Rev. St.-Ord. die Stadtverordneten gutachtlich zu hören;:
dem Kreishauptmann ist von dem geschehenen Erlasse sofort Kenntnis zu geben.5)
In Städten der St.-Ord. f. mittl. u. kl. St. bedürfen solche Verordnungen der Zu-
stimmung des Stadtgemeinderates, in Landgemeinden des Gemeinderates; in beiden
kaum auf tiefere wissenschaftliche Gesichtspunkte zurückführen.“ Er will sagen: sachliche Gesichts-
punkte der Unterscheidung bestehen überhaupt nicht.
67) Aufzählung in St.-Ord. f. mittl. u. kl. St. & 12; L.G.-Ord. 74.
68) Rev. St.-Ord. § 101. v. d. Mosel, Handwörterbuch Art. „Sicherheitspolizei“, nennt:
„Paß- und Fremdenpolizei, Preßpolizei, Fürsorge für Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung,
Veranstaltungen für die Sicherheit der Person und des Eigentums, Bettler- und Vagabonden-
wesen, Mitwirkung bei der gerichtlichen Polizei und Ausübung der Strafgewalt in allen diesen Be-
ziehungen.“ Zum Unterschied davon bezeichnet man wohl die übrige Ortspolizei als Wohl-
fahrtspolizei (v. d. Mosel, Handwörterbuch Art. Polizeidirektion); das ist nicht mehr als
eine Name; man darf es nicht allzu genau damit nehmen. — Alle Ortspolizei ist Staatsauftrag.
Die Sicherheitspolizei bildet darin nur einen engern Kreis, an welchem aber dem Staate besondere
viel liegt. Das beweisen die nun folgenden Sonderbestimmungen.
69) Das Nähere regeln die Ortsgesetze. Durch Ortsgesetz ist auch die genauere Ausscheidung
gemacht zwischen dem, was als Sicherheitspolizei zu gelten hat, und dem übrigen Teile der Orts-
polizei, die dem Stadtrate verbleibt, der sog. Wohlfahrtspolizel. In Leipzig gilt dafür das „Regu-
lativ über die Kompetenzverhältnisse zwischen dem Rate und dem Polizeiamte der Stadt Leipzig
in Sachen der Wohlfahrts= und der Sicherheitspolizei“ vom 12. Juni 1885.
70) Bis Ende 1925: 1,50 Mk. auf den Kopf der nicht zum Soldatenstande gehörigen Bevöl-
kerung. Die Einzelheiten sind vertragsmäßig geordnet zwischen Staat und Stadt durch Rezeß vom
31. Januar 1853, zu welchem mehrere Nachträge ergangen sind.
71) St.-Ord. f. mittl. u. kl. St. 3 12, L.G.-Ord. 8 74.
72) Rev. St.-Ord. § 68, Abs. 2, 5 102.