Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

g 33. Selbständige Gutsbezirke und Gemeindeverbände. 301 
  
Die bald nachher ergehende Verfassung stellte die volle Staatseinheit auch mit der 
Oberlausitz her. Wenn Verf.-Urk. § 61 neben der einheitlichen Ständeversammlung des 
ganzen Königreichs die Provinzial-Landtagsverfassung in der Oberlausitz und die Kreis- 
verfassung in den alten Erblanden noch ferner fortbestehen läßt, so ist dabei doch die 
erstere eine Stufe heruntergestiegen. Reste der alten Sonderstellung geben dem Ober- 
lausitzer Landtage immerhin noch etwas mehr Lebenskraft, als die Kreis- 
tage entwickeln.2) 
Beide stellen sie öffentlichrechtliche Verbände dar, berufen, öffentliche Verwaltung zu 
führen für die gemeinsamen Zwecke der in ihnen verbundenen unteren Selbstverwaltungen. 
Aber bezeichnend ist schon, daß man es nicht für nötig gehalten hat, ihren räumlichen Wir- 
kungskreis in Einklang zu bringen mit den Amtsbereichen der danebenstehenden staatlichen 
Verwaltungsbehörde. Die Oberlausitz und die vier erbländischen Kreise haben hier ihre 
althergebrachten Abgrenzungen behalten und fallen keineswegs zusammen mit den nach 
Zweckmäßigkeitsrücksichten neuzeitlicher Verwaltung bestimmten Regierungsbezirken 
der fünf Kreishauptmannschaften.8) 6 
Die Stände eines jeden Kreises setzen sich zusammen aus einer ritterschaftlichen und 
einer städtischen Kurie. Die Provinzialstände der Oberlausitz zerfallen in den Landkreis 
(Prälaten und Herren, Ritterschaft und Vertreter der Landgemeinden und Landstädte) 
und die Vierstädte (Bautzen, Zittau, Kamenz und Löbau). Die Kreistage versammeln 
sich in den ersten Städten der Kreise (Dresden, Leipzig, Plauen und Chemnitz) auf jeweilige 
Anordnung der Regierung. Die Oberlausitzer Provinzialstände haben das Vorrecht, 
alljährlich bis zu drei „willkürliche Landtage“ abzuhalten, je am Tage nach Okuli, Bar- 
tholomäi und Elisabeth. Die Regierung kann sie überdies zu außerordentlichen Land- 
tagen berufen, was aber kaum noch vorkommt. 34) 
Den Oberlausitzer Provinzialständen ist durch die „Urkunde, die durch Anwendung 
der Verfassung des Kgr. Sachsen auf die Oberlausitz bedingte Modifikation der Parti- 
kularverfassung dieser Provinz betr.,“ vom 17. Nov. 1834 eine staatsrechtliche Bedeutung 
gesichert (vgl. oben § 3 S. 8). Sie haben auch die Verwaltung gewisser Provinzialanstalten 
bewahrt (Lehrer-Seminar zu Bautzen, landständische Bank), üben ein Vorschlagsrecht 
für die in der Provinz zu besetzenden Amtshauptmannsstellen und besitzen ein nicht un- 
bedeutendes Provinzialvermögen; die Ritterschaft verwaltet außerdem noch ein beson- 
32) Bülau, Verf. u. Verw. I S. 114, meint schon 1833: „In der Tat dürfte es sich schwer 
absehen lassen, wie wenigstens den Kreistagen eine wahrhafte Wirksamkeit und ein höheres Leben 
einzuhauchen wäre.“ 
33) Der Meißner Kreis, dessen Kern der Regierungsbezirk Dresden bildet, begreift eine große 
Anzahl von Rittergütern und mehrere Städte aus den Regierungsbezirken Leipzig und Bautzen. 
Der erzgebirgische und der vogtländische Kreis waren ursprünglich im Regierungsbezirk Zwickau 
vereinigt. Seit der Errichtung der Kreishauptmannschaft Chemnitz (1900) sind sie wieder an- 
nähernd in der allgemeinen Landeseinteilung zu erkennen; aber die Hauptstadt des neuen 
gietierungsbezirtes, der wesentlich den vogtländischen Kreis umfaßt, gehört zum erzgebir- 
gischen. — 
Das Gesetz über die Fürsorgeerziehung vom 1. Februar 1909 hat für jeden Regierungsbezirk 
einen „Fürsorgeverband“ geschaffen mit einer „Verbandsversammlung“, bestehend aus drei Ab- 
geordneten jedes Bezirksverbandes und jeder exemten Stadt unter Vorsitz des Kreishauptmanns 
(5 8) und einem daraus hervorgehenden „Fürsorgeausschuß“ (§F 14). Hiermit ist der Anfang ge- 
macht zu einem richtigen Selbstverwaltungskörper auch für diese Behördenstufe. 
34) v. Römer, Staats-R. und Statistik III S. 59 ff.; Weiße, Staats-R. I S. 173; 
Hofmann, die Rittergüter S. 51 ff.; Leuthold, Staats-R. S. 178 ff.
	        
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