Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

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Das Staatsgebiet. 25 
  
IV. Das Staatsgebiet ist der Schauplatz der Staatsgewalt und ausschließlich 
der ihre. Eine fremde Staatsgewalt kann als solche auf unserem Gebiete nur wirksam 
werden auf Grund eines besonderen Rechtstitels, der die Geltend- 
machung der Gebietshoheit teilweise beschränkt. Der Rechtstitel 
kann ein völkerrechtlicher oder ein bundesrechtlicher sein. 
1. Die allgemeinen Regeln des völkerrechtlichen Verkehrs verpflichten 
den Staat verschiedentlich zur Duldung und Achtung von Erscheinungen fremder Staats- 
gewalt auf seinem Gebiete. Die wichtigsten Fälle sind zusammengefaßt in dem Begriffe 
der Exterritorialität. Außerdem können dem fremden Staate solche Rechte 
eingeräumt werden durch besonderen Vertrag. Namentlich kommen hier in Betracht 
militärische Rücksichten (Einräumung von Etappenstraßen, Verpflichtung keine Befesti- 
gungen anzulegen); auch fremden Zollämtern kann auf solche Weise die Niederlassung be- 
willigt werden. Für Sachsen sind namentlich wichtig geworden die Verträge über Bau 
und Betrieb fremder Staatsbahnstrecken auf sächsischem Gebiet, womit sich die Ausübung 
der Eisenbahnpolizei von seiten fremder Beamten verbindet, ebenso die Verträge über die 
Elbschiffahrt. Man bezeichnet diese Beschränkungen der Gebietshoheit als Staats- 
servituten. 53) Ihre Begründung ist wohl anzusehen als eine „Veräußerung von 
18) Auf dem Wege zur Entwicklung der deutschen Staaten liegt der Begriff des terri- 
torium clausum, des „geschlossenen Landesbezirkes“. Er bedeutet 
nichts anderes als die Rechtsvermutung für die inhaltliche Vollkommenheit und den ununter- 
brochenen räumlichen Zusammenhang der landesherrlichen Machtbefugnisse (v. Römer, Staats-R. 
und Statistik II S. 18 ff.). Wie das nun einmal das Schicksal des öffentlichen Rechtes ist, hat 
man zur Verdeutlichung dieser Idee sofort zu zivilrechtlichen Vergleichen gegriffen; man sprach 
von einem „Staatseigentum“ am Gebiet, um die Vermutung der Vollkommenheit und Unbe- 
schränktheit zu erläutern (für das sächsische Recht namentlich geltend gemacht von Grünler, 
Beiträge zum Staats-R.des Kgr. Sachsen (18381 S. 27). Da liegt es denn nahe, alle rechtlichen 
Beschränkungen in der Geltendmachung dieses Rechtes gegenüber anderen „Eigentümern“" und 
ihren Untertanen als „Eigentumsbeschränkungen“ aufzufassen; sogar Niederlassungs= und Schiff- 
fahrtsverträge werden so betrachtet. Als „Staatsservituten“ bezeichnet man aber dann doch nur 
„diejenigen auf einen besonderen Rechtstitel gegründeten Verhältnisse, wodurch die Staatsgewalt 
einseitig, entweder über die Grenze des Staatsgebietes ausgedehnt oder innerhalb desselben 
eingeschränkt wird" (Grünler, a. a. O. S. 31). Heutzutage wird der (keineswegs sehr glückliche) 
Ausdruck nur noch gebraucht, wo die völkerrechtlich zugelassene Einwirkung der fremden Staats- 
gewalt (um die handelt es sich immer) auf unser Gebiet Beziehung hat auf ein bestimmtes Stück 
dieses Gebietes, das der Einwirkung unterliegt (vgl. v. Liszt, Das Völkerrecht § 8 III, 3 und 
*19 I, 2). 
Während früher ein derartiges Hereinragen fremder Gewalten recht zufälliger Art war, hat 
in der Neuzeit die großartige Entwicklung des Verkehres reichere und festere Formen dafür gefunden, 
weil für ihn ein Zusammenwirken ohne Rücksicht auf die Landesgrenzen unentbehrlich ist. Die 
Eisenbahnen namentlich sind hier führend. Als Beispiel sei erwähnt aus der neuesten Zeit der 
Vertrag mit Osterreich vom 27. Nov. 1898 wegen mehrerer Eisenbahnanschlüsse (Ges.= u. Verord.-Bl. 
1899 S. 6 ff.). Er bestimmt in Art. II: Die Kgl. Sächs. Regierung gibt ihre Zustimmung, „daß 
der Bau und Betrieb der auf sächsischem Staatsgebiete gelegenen Strecke (Roßdorf-Adorf) von 
der K. K. ÖOsterreichischen Staatseisenbahnverwaltung geführt werde“ (also keine Konzession, 
sondern eine fremde Staatsbahn als solche auf unserem Gebiete). Art. IX und XII: Oster- 
reichische Grenzzollämter auf sächsischem Boden. Art. XV: Amtsbefugnisse der in der (sächsischen) 
Grenzstation von der ÖOsterreichischen Regierung zu bestellenden Polizeibeamten. Art. XVIII: 
„Unbeschadet des Hoheits= und Aufsichtsrechtes der hohen vertragschließenden Teile über die in 
ihren Gebieten gelegenen Bahnstrecken und über den darauf stattfindenden Betrieb, verbleibt 
die Ausübung des Oberaufsichtsrechtes über die den Betrieb führenden Eisenbahnverwaltungen 
im allgemeinen derjenigen Regierung, in deren Gebiet dieselben ihren Sitz haben.“ Art. XIX: 
„Die Bahnpolizei wird unter Aufsicht der dazu in jedem Staatsgebiete kompetenten Behörden 
in Gemäßheit der für jedes Gebiet geltenden Vorschriften und Grundsätze zunächst durch die Be- 
amten der den Betrieb der betreffenden Bahnstrecke führenden Eisenbahnverwaltung geführt 
werden.“
	        
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