87. Die Staatsangehörigen. 33
Verweilen daselbst ein Stück seiner vom Staate anzuerkennenden Freiheit. 10) Der Aus-
länder kann ausgewiesen werden; das ist selbstverständlich, auch ohne besonderes
Gesetz. Das Ausweisungsrecht, schon durch die bloße Möglichkeit seiner Geltendmachung,
trägt sehr viel dazu bei, daß das gewahrt werde, was der Staat erstreben muß: möglichstes
Zusammentreffen von Staatsangehörigkeit und tatsächlicher Gebietsangehörigkeit.
Nur der Staatsangehörige geht den Staat rechtlich noch an, auch wenn er sich außer-
halbdes Gebietes befindet. Dessen bürgerliche und Strafgesetze folgen ihm dort-
hin, seine Ansprüche auf Heerdienst desgleichen; die heimische Staatsgewalt macht seinen
Eintritt in fremde Dienste von ihrer Erlaubnis abhängig und verlangt gegebenenfalls die
Rückkehr. Dafür folgt ihm auch in die Fremde ihr Schutz, die Fürsorge ihrer Gesandten
und Konsuln, und im äußersten Falle muß ihre bewaffnete Macht für ihn eintreten.u)
Nur der Staatsangehörige endlich — und das ist wohl das wichtigste — gilt als ver-
wendbar zu solchen Tätigkeiten, welche, um richtig zu geschehen, eine besondere Anhänglich-
keit an dieses Gemeinwesen, dieses Volk und sein Oberhaupt voraussetzen. Man pflegt zu
sagen: nur er hat politische, staatsbürgerliche Rechte. Die entsprechenden
Pflichten, aber auch reine Pflichten gehören in den nämlichen Gedankenkreis. Es handelt
sich überall um Angelegenheiten des Staates oder, was gleichgestellt wird, der Gemeinde,
der Kirche; und der Einzelne wird nach Ordnungen des öffentlichen Rechts berufen, dafür
tätig zu sein — kraft öffentlicher Dienstpflicht (Berufsamt, Ehrenamt, Zwangsdienstpflicht),
kraft öffentlich rechtlicher Vertreterschaft (Landtag, Gemeindevertretung, Synode), oder
in Ausübung des öffentlichen Wahlrechts zur Besetzung solcher Stellungen. Alles das ist
grundsätzlich den Staatsangehörigen vorbehalten.12)
Damit kommt auch die vielberedete „Treue“, die ja als Gegenstand einer selbständigen
Rechtspflicht sich nicht wohl denken läßt, wenigstens mittelbar zur rechtlichen Bedeutung.
Daß der Vorbehalt dieser Tätigkeiten für die Staatsangehörigen mit einem solchen ethischen
Element zusammenhängt, findet seinen Ausdruck einerseits noch dadurch, daß die Fähigkeit
dazu durch den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verloren geht, andererseits durch die
Berwendung des Mittels, welches von jeher dazu gedient hat, sittliche Pflichten einzuschärfen
und zu bekräftigen: des Eides. Er wird bei allen Arten des öffentlichen Dienstes ab-
verlangt. Die Verf.-Urk. § 139 sieht überdies noch einen allgemeinen Untertanen-
10) Opitz, Staats-R. 1 S. 85, bezeichnet das etwas schwungvoller als „ein Recht auf
den Genuß des Staatsgebietes“.
11) Solcher Schutz ist eine Aufgabe des Staates, auch eine Ehrenpflicht für ihn. Aber es
hat keinen Zweck, hier von einem „Recht auf Schutz“ zu sprechen, das dem Einzelnen dem Staate
oder dem Reiche gegenüber zustände (Laband, Staats-R. 1 S. 139, Note 2). Rechtsfolgen
hat die Sache doch nicht und sobald unsere Kriegsschiffe in Frage kommen, hört das Gebiet der
„Willensmacht der Person“ ganz von selbst auf.
12) Die Teilnahme an öffentlichen Genossenschaften (Genossenschaften zur
Berichtigung von Wasserläufen nach Ges. v. 15. Aug. 1855, Wassergenossenschaften nach Ges. v.
12. März 1909 5 99 ff.), durch Amt, Wahl oder Vertretung pflegt nicht den Staatsangehörigen
vorbehalten zu sein. Ebenso gilt der Grundsatz bei den sogenannten Interessenver-
tretungen , auch wenn sie berufen sind, den Behörden mit ihrem Rate zur Seite zu stehen.
Selbstverständlich kann auch anders bestimmt werden und die Mitgliedschaft an der Staats-
angehörigkeit hängen. Zur Vertretung der Interessen der Landwirtschaft im Landeskulturrat
können nur sächsische Staatsangehörige berufen werden (Ges. v. 9. April 1872, # 5 Abs. 5; Ges. v.
30. April 1906 d 5 Abs. 6). Bezüglich der Handels= und Gewerbekammer genügt statt dessen
die Reichsangehörigkeit (Ges. v. 4. August 1900 5 12). Im Eisenbahnrate, wo außer Handel und
Gewerbe auch die Landwirtschaft ihre Vertreter hat, wird in dieser Hinsicht gar nichts verlangt
(Verord. v. 9. Juli 1881 5 3).
Otto Mayer, Sächfisches Staatsrecht. 3