88. Reste von Adelsvorrechten. 39
daß die Sonderrechte der standesherrlichen Familien von zweierlei Art waren, die man als
dingliche und persönliche Rechte unterschied.
Dingliche sind die, welche an den standesherrlichen Besitzungen hängen. Man
kann zwar nicht sagen, daß der Standesherr das Gebiet seiner ehemaligen Landeshoheit
noch besitzt; dieses gehört dem Staate, dem er unterworfen wurde. Was er besitzt, ist in
erster Linie privatrechtlicher Natur, Grundeigentum, das alte Familiengut. Daran
hängen für den Umkreis des ehemaligen Gebietes allerlei Reste der Landeshoheit, Rechte
und Freiheiten, und ebenso hängt daran die vom Bunde besonders garantierte Landstand-
schaft. Daher die Bezeichnung: dinglich. Daher auch stehen diese Vorzüge dem Besitzer
der Standesherrschaft nur zu gegenüber dem Staate, in dessen Gebiet seine Besitzung
liegt, dessen Standesherr er ist; nur dessen Staatsgewalt findet an diesen Vorzügen eine
rechtliche Bestimmtheit und Beschränkung.
Persönlich dagegen sind die Vorzüge, welche aus der Zugehörigkeit zu der standes-
herrlichen Familie sich ergeben, also auch von solchen Zweigen derselben geltend gemacht
werden können, die nicht im Besitze der Standesherrschaft sich befinden und in solchen
deutschen Staaten, die mit der Standesherrschaft selbst nichts zu tun haben. Hierher
gehört das Recht der Hausgesetzgebung, der Ebenbürtigkeit, vor allem der ganze Ehren-
vorzug nach seinen verschiedenen Seiten: Rang, Titel, Prädikat, Anrede usw. 10)
Auf diese letzteren, die persönlichen Vorzüge, bezieht sich der Bundesbeschluß von 1828.
Dies besagt schon sein Wortlaut. Die dinglichen Vorteile, die der Heimatsstaat der Standes-
herrschaft, Sachsen, allein gewähren konnte, waren durch den Rezeß von 1740 in aus-
reichendem Maße gewährt. Der Bundesbeschluß begnügt sich darauf zu verweisen („un-
beschadet aller aus dem Rezesse des Jahres 1740 hervorgehenden Rechtsverhältnisse“").
Die persönlichen Vorzüge dagegen hatten ihre volle Kraft nur, wenn auch die andern deut-
schen Staaten sie anerkannten, wie dies bezüglich der echten Standesherren durch die
Bundesakte vermittelt war. Der Bundestag beschäftigte sich insbesondere noch mit der
Sicherstellung der dem Hause Schönburg geziemenden Titulaturen durch zwei auf An-
trag der sächsischen Regierung ergangene Beschlüsse.—1)
Die persönlichen Vorrechte widersprechen nur dem Grundsatz der Gleichheit. Die
dinglichen werden von der Staatsgewalt viel störender empfunden als Hindernisse einer
zweckmäßigen Einrichtung der öffentlichen Geschäfte und als Unvollkommenheiten in der
Durchführung ihrer Souveränität. Uberall in den deutschen Staaten ist man Schritt
für Schritt auf ihre Beseitigung bedacht gewesen. In Sachsen geschah das in besonders
schonender Weise. Namentlich hielt man daran, die äußere Form einer vertrags-
mäßigen Vereinbarung zu wahren.
Solche Verträge knüpfen sich regelmäßig an alle wichtigeren Neuordnungen der staat-
lichen Tätigkeit, nicht immer allerdings sofort und unmittelbar; man wartet wohl Ge-
10) Über diese Unterscheidung vgl. H. A, Zachariae, Deutsch. Staats= u. Bundes-R. 1/198.
11) Bundesbeschl. 19. Aug. 1825 u. 12. März 1829. — Leuthold, Staats-R. S. 189
Note 5, behauptet ganz grundlos, durch den Bundesbeschluß von 1828 würden dem Hause „die
persönlichen und dinglichen Rechte der eigentlichen Mediatisierten ausdrücklich zu-
erkannt.“ — Die auf solche Weise geschehene Gleichstellung mit den standesherrlichen Häusern hat
zur Folge, daß die reichsrechtlichen Bevorzugungen, welche sich an diese persönliche Eigenschaft
knüpfen, von selbst auch den Mitgliedern des Hauses Schönburg zugute kommen: Militärfreiheit
(Ges. v. 9. Nov. 1867 K+ 1), Einquartierungsfreiheit (Ges. v. 25. Juni 1868 5 4), Austräge (E.G.
z. G. V. Ges. 87).