Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

8 8. Reste von Adelsvorrechten. 41 
  
Bezüglich des Rezesses von 1740 ist das ganz einleuchtend. Die Herren von Schön- 
burg hatten bis dahin die Landeshoheit des Kurfürsten nicht anerkannt, vielmehr ihre 
Reichsunmittelbarkeit behauptet. Nun unterwarfen sie sich, traten ihr Gebiet an Sachsen 
ab. Das ist ein völkerrechtlicher Vertrag, zugleich allerdings der letzte staatliche Akt, den 
die Herren von Schönburg dem Kurfürsten gegenüber als Gleichberechtigte vornahmen: 
von nun an sind sie Untertanen. Eben deshalb bestand nunmehr ihnen gegenüber die 
rechtlich unbindbare sächsische Staatsgewalt. 
Die Verfassung von 1831 und die Justizgesetzgebung von 1855 brachten die Notwendig- 
keit, um des Staatswohls willen von dieser Gewalt Gebrauch zu machen, um die störenden 
Sonderrechte zu beseitigen. Daß man in den Rezessen von 1835 und 1862 sich der Zu- 
stimmung der Herren von Schönburg versicherte, hatte — abgesehen vom rechtlich Un- 
wägbaren — Gründe in Rücksicht der äußeren Politik. Sachsen selbst hatte mit Eifer dafür 
gesorgt, daß der Deutsche Bund die Herren von Schönburg den durch Art. 14 der Bundes- 
akte gesicherten deutschen Standesherren gleichstellte!2), auch den fünf Großmächten 
gegenüber schon während des Wiener Kongresses gewisse Zusagen gegeben. In den 
deutschen Zuständen jener Zeit pflegten dergleichen Beziehungen eine bedeutsame Rolle 
zu spielen. Jedenfalls schien die Zustimmung des Hauses rätlich, um allen Schwierig-= 
keiten vorzubeugen. Die Anordnungen selbst sind jetzt rein staatlich. 
Nichts dergleichen kam mehr in Betracht beim Abschluß des Rezesses von 1878; das 
Deutsche Reich hatte allen Einmischungsmöglichkeiten ein Ende gemacht. 1:1) Wenn man 
gleichwohl die Zustimmung der Herren von Schönburg noch einmal einholte, so geschah 
es vielleicht ohne tieferen Grund, bloß deshalb, weil es früher so gehalten worden war; 
mehr noch wird hier gewirkt haben die dem sächsischen Staatswesen eingewurzelte Ab- 
neigung gegen alles schroffe Vorgehen und schonungsloses Beseitigen von Bestehendem. 
Wenn, wie hier, dem Wohl des Staates das Seine wird und gegenüber niemanden eine 
Ungerechtigkeit vorliegt, so kann nur eine ganz einseitig gerichtete Rechtswissenschaft über 
juristische Unkorrektheit klagen wollen. Superflua non nocent. 
Das Ergebnis der ganzen Entwicklung ist jetzt, daß die Sonderstellung des Hauses 
Schönburg nichts mehr enthält, was als eine Ausübung öffentlicher Gewalt in dem ehe- 
maligen Gebiete angesehen werden könnte. An hinterlassenen Spuren davon mag noch 
hervorgehoben werden: der Anspruch auf öffentliche Trauer und Kirchengebet für jeden 
13) Der Erläuterungsrezeß von 1835 hatte sogar eine neue Bundesaktion zur Folge. Im 
Abschnitt IX, & 4 wurde bestimmt, daß die Rezesse von 1740 und 1835 „in dem Maße unter den 
Schutz des Deutschen Bundes gestellt werden, daß, wenn die zugesicherte Rechtshilfe so, wie sie 
nach den vorstehenden Paragraphen (vgl. oben Note 12) stattfinden soll, beschränkt, behindert 
oder verweigert werden sollte, dem Hause Schönburg der Rekurs an die Bundesversammlung 
mit der Wirkung offen stehe, daß diese berufen sei, bei begründet befundener Beschwerde die Ge- 
währung der vertragsmäßigen Rechtshilfe zu veranlassen". Die sächsische Regierung erwirkte 
daraufhin den Bundesbeschluß vom 3. Juli 1836, der „den Schutz der rezeßmäßig zu gewährenden 
Rechtshilfe übernimmt". Darin darf man natürlich nicht eine neue Garantie der dem Hause Schön- 
burg vertragsmäßig zugesicherten Rechte sehen wollen; es ist lediglich der in Art. XXIX der Bundes- 
akte statuierte Bundesschutz gegen Justizverweigerung für anwendbar erklärt. 
14) Die Wiener Kongreßakte hatte ja die ganze deutsche Bundesverfassung unter die Garantie 
und das Recht der Mächte gestellt. Als der Bundestag am 24. August 1866 sein Ende fühlte, ver- 
säumte er nicht, die Mächte davon zu benachrichtigen. Sie haben die Tatsache hingenommen 
und damit stillschweigend auf jedes Recht der Einmischung in unsere inneren Verhältnisse ver- 
zichtet. — Weder zum Norddeutschen Bunde noch zum Deutschen Reiche sind die Herren von 
Schönburg in „gewisse unmittelbare Beziehungen“ getreten; ihre Rechte sind gerade so geschützt, 
wie die jedes anderen Deutschen, nicht mehr und nicht weniger.
	        
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