42 Erster Abschnitt: Grundlagen des Staatswesens. 8 8.
Rezeßherrschaftsbesitzer in dem dazu gehörigen Gebietsteil5), das Recht aller Mitglieder
des Hauses, bei öffentlichen Wahlen innerhalb der Lehns= und Rezeßherrschaften durch
Bevollmächtigte zu erscheinen160); bei Jagden im Rezeßgebiet sind die Mitglieder des
Hauses und ihre Gäste befreit von der Jagdkartenpflicht.1)) Die Schönburger „Gesamt-
kanzlei“, welche früher die obrigkeitlichen Geschäfte zu besorgen hatte, ist jetzt auf reine
Privatangelegenheiten des Hauses beschränkt; doch ihr „verbleibt der Charakter einer
öffentlichen Behörde“ und „der Kanzleidirektor soll den Rang eines Königlichen Re-
gierungsrates erhalten und nach dem Dienstalter rangieren“.18) Die „im Rezeßgebiete
funktionierenden Schönburgischen Beamten“ bedürfen zur Annahme einer Wahl in die
Gemeindevertretung der Genehmigung ihrer Vorgesetzten wie Staatsbeamte. 19) Streitig
ist, ob ihnen die Rezeßherrschaftsbesitzer auch Titel und Prädikate beilegen dürfen: dem
entgegenkommenden Tone unserer Rechtsordnung dürfte die Bejahung dieser Frage
mehr entsprechen.
Wo es sich um ernsthaftere Dinge handelt, hat sich der Staat auch bei etwaigen Zu-
sagen freie Hand vorbehalten. Er verspricht z. B., in Glauchau eine Bezirksverwaltungs-
behörde (Amtshauptmannschaft) und sonstige öffentliche Beamte zu belassen, aber nur
„so lange und soweit staatliche Interessen nicht entgegenstehen“.30) Deshalb kann auch
von einem Recht auf „Admission bei Grenzdifferentien mit benachbarten Reichsständen“
nicht mehr die Rede sein. Es fehlt das jus territoriale subordinatum, das früher dazu
sachlich legitimierte.
Die besondere Rechtsstellung des Hauses Schönburg kennzeichnet sich also durch eine
Anzahl von Ehrenvorzügen, Befreiungen und gebundenen Staatseinrichtungen, die
ihren Zusammenhang finden in der gemeinsamen geschichtlichen Wurzel, aber ein ge-
schlossenes Ganzes nicht mehr bilden. Als das wichtigste Stück darf wohl die Mitgliedschaft
in der ersten Kammer angesehen werden; davon wird unten § 15, II, noch die Rede sein.
2. Als das Haus Solms im Jahre 1602 die an der Zwickauer Mulde gelegene Herr-
schaft Wildenfels erwarb, ist diese jedenfalls nicht mehr reichsunmittelbar und reichsständisch
gewesen.:1) Das Haus Solms-Wildenfels ist aber ein Zweig des deutschen
15) Rezeß von 1740, +X 19.
16) Rezeß von 1740, 5+5, Abs. 3; Übereinkunft v. 29. Oktober 1878, §& X.
17) Übereinkunft von 1862, J5 XXVI (Ges.= u. Verord.-Bl. 1865, S. 102); Jagdges. 1. Dezember
1864 5+ 26 Ziff. 2.
18) Übereinkunft von 1878, & XV. Eine öffentliche Behörde ist diese Privatkanzlei natürlich
nicht; sie hat nur „den Charakter" einer solchen, es werden im Verkehr mit ihr die Formen ge-
wahrt, als wärec sie eine.
19) UÜbereinkunft von 1878, 5 XI, Abs. 4.
20) UÜbereinkunft von 1878, § XIII, Abs. 1. Zugunsten des Gesetzgebers ist dieser Vorbehalt
immer selbstverständlich und unverzichtbar: wenn er hier ausdrücklich hervorgehoben wird, so ge-
schieht es nur wegen der besonderen Wichtigkeit der Sache, die (im Gegensatz zu bloßen Titel-
fragen) einen ernsthaften Konflikt mit öffentlichen Interessen wohl denkbar macht. Aber auch
das in § XI, Abs. 2 unbedingt zugesagte Recht auf Exemtion des Gutsbezirks (vgl. unten §& 33, 1)
ist für den Gesetzgeber nicht unantastbar; er wird natürlich im gegebenen Falle sein Möglichstes
tun, die Einwilligung zu erhalten; rechtlich ginge es auch ohne sie. Das ist nun einmal der mo-
derne Staat. Wer diesen noch nicht recht versteht, mag das immerhin mit H. A, Zachariae
als „eine despotisch-revolutionäre Lehre“ empfinden (Michaelis in Linde, Arch. f. d. öff.
R. d. Deutsch. Bundes Bd. IV S. 258).
21) v. Römer, Staats-R. u. Statistik II S. 72, berichtet, die Herrschaft sei der „Ent-
stehung des sächsischen geschlossenen Landesbezirks“, dem mächtigen Grundsatz des territorium
clausum zum Opfer gefallen. In der Wormser Matrikel von 1521 ist sie noch verzeichnet mit:
„Roß 1 Fuß 2“.