Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

46 Erster Abschnitt: Grundlagen des Staatswesens. 8 8. 
  
nur auf einen Verzicht auf die Ausübung im Einzelfall hinaus. Dagegen kann durch die 
Maßregeln, welche der Besitzer trifft, bewirkt werden, daß ein selbständig und einheit- 
lich bewirtschaftetes Besitzium, an welches als an das Rittergut die entsprechenden recht- 
lichen Eigenschaften sich hängen, nicht mehr besteht: Zerstückelung des Gutes, Einverlei- 
bung seines Bestandes in ein anderes Gut, Vereinigung mit einer zu vergrößernden 
Staatsdomäne, wirken als solche Zerstörungsgründe. Nachträgliche Wiederaufrichtung 
eines eigenen Betriebes wäre bedeutungslos; denn Neugründung von Rittergütern ist 
rechtlich nicht vorgesehen. 35) 
33) Engel, Das Königreich Sachsen, I, 1853, S. 213, erwähnt „Rittergüter ohne Grund 
und Boden, weil sie nichts besitzen als in Ablösung begriffene dingliche Rechte“. Die Konsequenz 
würden Rittergüter sein, die nur aus den mit den Ablösungsgeldern angeschafften Staatspapieren 
bestehen. Hier droht aber doch der Begriff allen Zusammenhang mit der Wirklichkeit zu verlieren. 
— Andererseits ist es gleichgültig, daß ein Gut „bei Anlegung der Grund= und Hypothekenbücher 
als Rittergut nicht zum Eintrag gelangt“ (B. Francke, Die Gesetzgebung des Kgr. Sachsen 
II S. 1008). Die öffentlichrechtliche Eigenschaft als Rittergut hängt nicht vom Hypotheken- 
buch ab. Umgekehrt greifen Rücksichten des öffentlichen Interesses hier bestimmend ein in das 
Grundbuchverfahren: nach Ausf.-Verord. v. 26. Juli 1899 zur Grundb.-Ord., &# 130, ist die Amts- 
hauptmannschaft amtlich zu benachrichtigen, wenn bei einem Rittergut ein neuer Eigentümer 
eingetragen wird; nach Ausf.-Verord. v. 6. Juli 1899 zum B. G. B., 13ff. darf die Hinzuschlagung 
eines Ritterguts zu einem anderen nur mit Genehmigung des Ministeriums des Innern geschehen. 
Solche Hinzuschlagung wird die Zerstörung der wirtschaftlichen Selbständigkeit und damit den 
Untergang des einen Rittergutes bedeuten. 
Bestehen geblieben ist auch gemäß E. G. z. B. G. B. Art. 119 Ziff. 2 das Sächs. Ges. v. 30. No- 
vember 1843, über die Teilbarkeit des Grundeigentums. Danach darf von einem Rittergut auf 
einmal oder nach und nach nur soviel abgetrennt werden, daß zwei Dritteile der auf dem Grund- 
stück, ausschließlich der Gebäude, haftenden Steuereinheiten bei dem Stammgute bleiben (§s#§1—1 
des Ges.); Dispensation kann im Verwaltungswege erteilt werden; das Grundbuchamt hat bis 
dahin die Eintragung zu verweigern. (Verord. 12. November 1874: Ges.= u. Verord.-Bl., S. 430). 
Der Erwerb eines Ritterguts durch den Staatsfiskus ist nicht von selbst ein Grund des Er- 
löschens seiner besonderen Eigenschaft. Nach § 11, Abs. 2 des Ges. v. 3. Dezember 1868, die Wahlen 
für den Landtag betr., ruht bezüglich eines solchen Gutes fortan „die Ausübung des Stimmrechts“. 
Da nun dieses Stimmrecht das wichtigste Merkmal eines Rittergutes ist und namentlich auch das 
amtliche Verzeichnis von 1832 gerade in Absicht hierauf errichtet worden ist, so sagt man gern, 
es seien von diesen Rittergütern die und jene „durch UÜbergang auf den Staatsfiskus, insbesondere 
Vereinigung mit dem Staatsforstreviere in Wegfall gelangt“ (B. Francke, Gesetzgebung des 
Königr. Sachsen II S. 1008; ihm folgend Kaeubler, Landtags-Wahlgesetz S. 161). Es 
wird aber doch immer erst noch darauf ankommen, was der Staat damit macht. Betreibt er das 
Gut weiter als gesondertes wirtschaftliches Unternehmen, so hört es auch in seiner Hand nicht auf, 
Rittergut zu sein; das ist nach dem Wortlaut des angeführten & 11 auch die Meinung des Gesetzes. 
Veräußert er nun dieses Gut wieder, so lebt auch das daran hängende Wahlrecht wieder auf, mit 
allen sonst noch dabei in Betracht kommenden rechtlichen Befähigungen. Hat der Staat hingegen 
die wirtschaftliche Selbständigkeit dieses Grundstückkomplexes aufgehoben (Hauptfall ist allerdings 
die Einverleibung in sein Forstgebiet), so kann er durch Wiederveräußerung des Bodens, auf wel- 
chem früher einmal ein Rittergut bestand, ein solches nicht wieder entstehen machen. Mit Recht 
begründet also Hofmann, Die Rittergüter S. 66, die Streichung von der Liste durch die 
kurze Bemerkung: „vom Fiskus aufgekauft und Staatsforstrevieren zugeschlagen“. 
Ein Rittergut kann Rittergut bleiben und dabei doch aufhören selbständiger Gutsbezirk zu 
sein (vgl. unten § 33, Note 7 und 11). Es kann auch nach wie vor für sich allein einen selbständigen 
Gutsbezirk bilden, ohne mehr Rittergut zu ein. Ein Beispiel bietet das Rittergut Möckern. Es 
erscheint als solches in dem amtlichen Verzeichnisse der Verord. v. 6. November 1832; in dem Ver- 
zeichnisse, das dem Entwurf der Verf.-Urk. beilag (Landt.-Akte 1830, Bd. 3, S. 1472) wird es 
sogar als „schriftsässiges, im Jahre 1830 landtagsberechtigtes Rittergut“ anerkannt. Jetzt steht 
an seiner Stelle der „selbständige Gutsbezirk Kaserne Möckern“. Hofmann, Die Rittergüter, 
S. 265 führt ihn auf unter der Rubrik: „Sonstige exemte Grundstücke“ mit der Angabe: „Be- 
sitzer: Deutscher Reichsfiskus: Industrielle Anlagen auf dem Gute: Wasserpumpwerk mit Brunnen". 
Ein Rittergut ist das natürlich nicht mehr.
	        
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