89. Die Thronfolgeordnung. 49
Dieser Herzog Albrecht gilt als der Ahnherr des jetzt Königlichen Hauses Sachsen,
wie der Burggraf Friedrich als der des preußischen, Otto von Wittelsbach als der des
bayerischen Königshauses. Abstammung von diesem Ahnherrn ist die erste Voraussetzung
für die Mitgliedschaft im regierenden Hause und die daran hängende Fähigkeit zur ordent-
lichen Thronfolge. Würde das fürstliche Erbrecht einfach die Regeln der Blutsverwandt-
schaft gelten lassen, wie das bürgerliche, so wäre kein Grund zu sehen, weshalb nicht auch
die Abkömmlinge eines Bruders dieses Ahnherrn berufen sein könnten. Hier zeigt sich
aber gerade wieder eine neue Besonderheit, eine weitere geschichtliche Bedingtheit. Das
fürstliche Erbrecht beruht, wie das bürgerliche, wesentlich auf der Blutsverwandtschaft;
aber wie an seinem Ende mit immer mächtigerem Einfluß das staatsrechtliche
Element sich geltend macht, so steht an seinem Anfang das lehensrechtliche, mehr
und mehr jetzt verwischt, aber keineswegs ganz überwunden.
Der Ahnherr der regierenden Häuser ist regelmäßig der Erste dieses Geschlechtes, der
die Landeshoheit in dem Kernlande des Gebiets erworben hat. Daß er der Ahnherr ist
und daß man von ihm abstammen muß, um in das Recht der Landeshoheit folgen zu können,
das hängt damit zusammen, daß er selbst dieses Recht als kaiserliches Lehen empfing
und die Lehensfolge nur an seine männliche Nachkommenschaft geht, an die in den alten
Urkunden unserer Fürstenhäuser so oft erwähnten „Leibes-Lehens-Erben“.
Das gilt überall. In den Ländern des Sächsischen Rechts, die hier in Be-
tracht kommen, hatte aber der lehensrechtliche Gedanke eine besondere Strenge entfaltet.
Im Falle einer Teilung nämlich zwischen mehreren Erben des ersten Empfängers sollten
die Teile wieder gesondert ihren Weg abwärts gehen, an die Abkömmlinge eines jeden und
nicht weiter: fehlten solche Leibes-Lehens-Erben für einen dieser Teile, so trat an ihm der
Heimfall des Lehens ein; Seitenverwandte sind durch die „Totteilung“ ausgeschlossen.
Um diese Wirkung zu vermeiden und das jus sanguinis, das Geblütsrecht, auch für die
Seitenverwandten zu wahren, war es Brauch, solche Teilungen als rein äußerliche und tat-
sächliche zu behandeln, die das Recht selbst unberührt ließen. Man blieb in gesamtem
Lehen sitzen und ließ das bestätigen durch Belehnung zur gesamten Hand,
Mitbelehnung, Samtbelehnung: die Teilungsberechtigten nehmen die neue Belehnung
zusammen, jeder auf das Ganze, als wäre nichts geteilt; durch Zusätze wie „jedoch in ihrer
Ordnung“ verweist der Lehensbrief auf das tatsächlich zwischen ihnen bestehende Ver-
hältnis.") -
Auf solche Art sicherten sich die landesherrlichen Häuser auch im Gebiete des sächsischen
Rechtes die Möglichkeit der Wiedervereinigung ihrer so häufig geteilten Lande. Das landes-
herrliche Haus selbst schließt sich zusammen und grenzt sich ab nach Maßgabe dieser Zusam-
mengehörigkeit des Besitzes. Innerhalb dieses Kreises gilt die durch Geblütsrecht
bestimmte Lehensfolge.
wieder genannt wird. Der Wortlaut der Verf.-Urk., §6 und § 7 ist der Hessischen Verf.-Urk. Art. ö,
entnommen. Sonst war ja bekanntlich mehr die Württembergische maßgebend. Aber hier hat
man offenbar ganz sicher sein wollen, daß man der mit Hessen bestehenden Erbverbrüderung gerecht
wurde und deshalb die dort gebrauchten Ausdrücke für die Reihenfolge der Berufung einfach nach-
geahmt. Gerade deshalb ist nicht anzunehmen, daß man unter „Sächsisches Fürstenhaus“ etwas
anderes verstehen wollte als „Königliches Haus“. Denn Hessen sagt hier entsprechend: „Groß-
herzogliches Haus“.
4) v. Sicherer, Über die Gesamtbelehnung in deutschen Fürstentümern S. 7—15;
K. S. Zachariae, Handbuch des Kgl. Sächs. Lehnrechts § 78, §#§# 82—84.
Otto Mayer, Stchsisches Staatsrecht. 4