Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

89. Die Thronfolgeordnung. 51 
  
zeit, so hätten wir heute ein Gesamthaus Wettin mit Markgraf Konrad dem Großen, der 
ja 1127 endgültig für sein Geschlecht die Mark Meißen erwarb, als gemeinsamem Ahnherrn 
und mit durchgehendem Thronfolgerechte für alle königlichen, großherzoglichen, herzog- 
lichen Zweige dieses Hauses. 
Allein es ist eben nicht dabei verblieben. Vielmehr wurde das ursprüngliche Lehensband, 
das das Wettinische Gesamthaus und seine Besitzungen umschlang, zerrissen durch den 
Schmalkaldischen Krieg und seine Folgen. 
Durch die Achtung des ernestinischen Kurfürsten Johann Friedrich vom 20. Juli 1546 
wurde dieser aller fürstlichen Rechte für sich und seine Nachkommen verlustig erklärt. Nach 
der Wittenberger Kapitulation vom 19. Mai 1547 wird dem neuen Kurfürsten Moritz auf- 
gegeben, den Söhnen des Achters, zur Sicherung standesgemäßen Unterhalts (50 000 fl.), 
ein gewisses Gebiet wieder abzutreten, wegen dessen sie nach Art. 19 der Kapitulation 
neue Belehnung beim Kaiser nachsuchen sollen. Durch den kaiserlichen Restitutionsbrief 
endlich vom 27. August 1552 wird Johann Friedrich in seine persönlichen Ehren wieder 
eingesetzt, auch in die „väterliche Gewalt“ über seine Söhne, vermöge deren er wieder Macht 
haben soll über ihr Land und ihre Leute. Das ist alles. 
Ergebnis: der Kurfürst ist „wiederhergestellt“ (man hat ihm nachher auch zugestanden, 
wenigstens den Titel „geborener Kurfürst“ zu führen). Nicht wiederhergestellt ist sein altes 
Lehensverhältnis. Er hat keine Rechte mehr als Leibes-Lehens-Erbe von Konrad dem 
Großen, noch Rechte aus der früheren gesamten Hand mit den Albertinern. Was er er- 
hält find „Verleihungen ex nova gratia".7) 
Alles was nun weiter geschah, war nicht imstande, den einmal geschehenen Bruch mit 
der gemeinsamen Vergangenheit wieder zu heilen. 
Schon bei der Teilung von 1485 war das Verbleiben in gesamtem Lehen als eine ständige 
Einrichtung der beiden Linien vertragsmäßig bedungen worden (vgl. oben Note 6): das durch 
die Gesamtbelehnung gewahrte Geblütsrecht erhielt also noch eine weitere Sicherheit durch 
Erbverbrüderungsvertrag. Diese Erbverbrüderung wurde im Jahre 1520 
durch einen zu Nordhausen abgeschlossenen Vertrag bestätigt. Dann war der große Kriegs- 
sturm vorübergegangen, und nun schritt man im Naumburger Vertrag vom 26. Februar 1554 
zu einer vollkommenen Aussöhnung beider Linien. Dabei wurde insbesondere verabredet: 
man wolle auch die Erbverbrüderung zwischen ihnen „wieder aufrichten und vernewern“. 
Das geschah durch den „Naumburgischen Beivertrag“ vom gleichen Tage.8) 
7) Der Text der Kapitulation bei Lünig, Reichs-Arch. Pars spec. Cont. II. S. 289, des 
Restitutionsbriefes ebenda, S. 64. — Die obige Auffassung vertritt vor allem B. W. Pfeiffer, 
Über die Ordnung der Regierungsnachfolge in teutschen Staaten überhaupt und in dem herzog- 
lichen Gesamthause Sachsen-Gotha insbesondere, II S. 400ff. — Es ist gewiß unzutreffend, 
wenn man die Sache so ansieht, als wäre Johann Friedrich und seine Linie durch den Restitutions- 
brief schlechthin in den früheren Stand gesetzt worden. Der Wortlaut beweist, daß es nur bestimmte 
Rechte sind, die wiedergegeben werden. Kurfürst Moritz, der den Restitutionsbrief erzwang, 
hatte doch auch gute Gründe zu wünschen, daß dessen Wirkungen keine unbeschränkten seien. 
Pfeiffer, a. a. O. S. 404, belegt seine Auffassung von dem „Wiedererwerb ex nova gratia“ 
durch den Lauenburgischen Sukzessionsfall: die Ernestiner hatten Ansprüche erhoben vermöge 
einer dem Kurfürsten Friedrich dem Weisen im Jahre 1507 vom Kaiser erteilten Eventualbelehnung, 
wurden aber damit abgewiesen, „weil bei der Restitution Johann Friedrichs I. jene Anwartschaft 
nicht wieder hergestellt worden sei“. Wegen der Wirkung der Achtung für die Erben vgl. Schroe- 
der, Deutsch. Rechtsgeschichte, S. 415. 
8) Lünig, Reichs-Arch., Pars spec. Abt. IV, Abs. 2, S. 269. Es heißt dort: „tun wir die Erb- 
verbrüderung, die etwan zu Nordhausen aufgerichtet, sonderlich auch weil Kayserliche Majestät dieselbe 
gnädigst wieder bestätigt, somit wieder verneuern und verneuern die hiemit“ (folgt der alte Text). 
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