89. Die Thronfolgeordnung. 55
des deutschen hohen Adels und auswärtiger souveräner oder ehemals souveräner Häuser.
Zum deutschen hohen Adel rechnen außer den regierenden und den depossedierten Fürsten-
häusern auch die standesherrlichen Familien. Sächsische Standesherren in diesem Sinne
gibt es nicht (vgl. oben § 8). Doch hat das Haus Solms-Wildenfels die Ebenbürtigkeit
als ein Zweig des hochadeligen Hauses Solms. Und dem Schönburgischen Hause wurde
durch die mit Gesetzeskraft ergangene königliche Verordnung vom 23. November 1835, C.
VII. Abschn., § 1, das Recht der Ebenbürtigkeit ausdrücklich zugesprochen. Ob das anderen
Fürstenhäusern gegenüber wirkt, kann hier dahingestellt bleiben; jedenfalls genügt es
für das Königlich Sächsische Haus.
Im übrigen wurde es in diesem mit der Forderung des hohen Adels stets sehr strenge
genommen; es sind keine Fälle bekannt, wo man wie in anderen Häusern auch Freiherrn-
stand oder Adel überhaupt zur Ebenbürtigkeit hätte genügen lassen. 15)
Auch wenn das Familienhaupt die Erlaubnis zur Eheschließung gegeben hatte, deckt
das den Mangel der Ebenbürtigkeit des anderen Teiles nicht. Die Ehe ist dann bürger-
lich gültig, aber die daraus entsprossene Nachkommencschaft tritt nicht ein in das sächsische
Haus und kann, auch wenn sie die männliche Nachkommenschaft eines sächsischen Prinzen
ist, niemals zur ordentlichen Thronfolge berufen werden.7)
II. Die Verf.-Urk. fährt dann fort in §7:
„In Ermangelung eines durch Verwandtschaft oder Erb-
verbrüderung zur Nachfolge berechtigten Prinzen geht die
Krone auf eine, aus ebenbürtiger Ehe abstammende weib-
liche Linie ohne Unterschied des Geschlechts über.“
Hier erscheint denn als außerordentliche Thronfolge die einer weib-
lichen Linie. Ihr geht aber erst noch voraus eine außerordentliche Thronfolge an-
derer Art, wie sie sich einführt mit den Worten „In Ermangelung“. Es ist die Meinung
aufgestellt worden, daß darin wieder zweierlei Fälle begriffen seien: der der „Verwandt-
schaft“" und der der „Erbverbrüderung“. Der erstere sei auf die Ernestiner
gemünzt, welchen neben ihrer Erbverbrüderung auch dieser Rechtstitel zukomme. 15) Nun
16) v. Römer, Staats-R. u. Statistik, I, S. 1871 Weiße, Staats-R. I S. 84;
Opitz, Staats-K. 1 S. 130. Bei der Beratung der Verfassung hatten die Stände beantragt,
nähere Bestimmungen über die Ebenbürtigkeit aufzustellen (Landt.-Akten 1831 Bd. 4 S. 1768
zu § 5), die Regierung hatte auch eine gewisse Bereitwilligkeit zu erkennen gegeben (Landt.-Akten
1831, Bd. 4, S. 2236). Daß nichts zustande kam, ist unter den gegebenen Umständen kaum als
Mangel zu empfinden: denn die Sache liegt ja, angesichts des vom sächsischen Hause festgehaltenen
strengen Standpunktes, ohnehin klar genug. Ob aber Staat und Volk auf eine Anderung zu
drängen hätten, um besser zu fahren, ist doch sehr zu bezweifeln.
17) Opitz, Staats-R. 1 S. 131, fügt noch hinzu: „Zu den durch das Erfordernis der
Ebenbürtigkeit Ausgeschlossenen gehören auch die aus einer morganatischen Ehe Ent-
sprossenen". v. Römer, Staatsrecht u. Statistik, I, S. 187, auf den er sich beruft, scheint mir
das nicht zu sagen. Jedenfalls kennt das neuzeitliche Recht wohl noch mangelhafte Ehen wegen
Standesungleichheit, nicht aber eine künstlich durch die Form und die Abmachungen bei der Ehe-
schließung mangelhaft gemachte, wie sic hier gemeint ist: Giercke, Deutsch. Priv.-R., I, S. 405.
Rehm, Moderncs Fürstenrecht, S. 221, hält eine solche unvollkommen wirkende Eheschließung
zwischen Mitgliedern des Hochadels für möglich. Allein, daß die Schweden, welche den Rechts-
unterschied der Unebenbürtigkeit nicht haben, ihn nachzuahmen suchen, wenn ein Prinz eine
Bürgerliche heiratet (Rehm, a. a. O., S. 173), beweist überhaupt nichts. Und daß nach E.G.z.
B. G. B. Art. 57 bezüglich des Eherechts der landesherrlichen Familien die „besonderen Vor-
schriften der Hausverfassungen und der Landesgesetze“ Abweichendes bestimmen können (a. a. O.
S. 220), beweist jedenfalls für Sachsen nichts, weil derartiges nicht vorliegt.
18) Leuthold, Staats-R., S. 223, Opitz, Staats-R. I S. 136 Note 21: „Für
die Ernestinische Linie liegen somit beide in §7 der Verfassungsurkunde angeführten Gründe,