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89. Die Thronfolgeordnung.
berufen, wenn die ganze sächsische „Parthey“ ohne Leibes-Lehns-Erben mit Tod ab—
ginge.20)
In ähnlicher Weise hatten Hessen und Sachsen schon früher gemeinsam mit Bran-
denburg eine Erbverbrüderung abgeschlossen, die aber wieder auseinander gegangen
war. Gelegentlich einer Erneuerung des sächsisch-hessischen Vertrags wurde zu Naum-
burg am 9. November 1587 auch Brandenburg wieder ausgenommen.21) Nach den
früheren Abmachungen sollten Hessen und Sachsen den engeren Verband bilden, so daß
Brandenburg in ihre Länder erst folgte, wenn beide Häuser erloschen wären. Jetzt kam
man Brandenburg entgegen durch die Bestimmung, daß es im Falle des Erlöschens des
hessischen oder des sächsischen Hauses (Ernestiner und Albertiner zusammengenommen)
sofort ein Drittel des Nachlasses erhalten sollte, während zwei Drittel dem überlebenden
enger verbundenen Hause zukämen. Dieser Vertrag wurde am 30. März 1614 zu Naum-
burg erneuert. Seine Rechtsgültigkeit ist bestritten. Denn die kaiserliche Bestätigung,
welche man einzuholen beabsichtigte, war nicht erreichbar. Infolgedessen fand auch keine
Mitbelehnung noch gegenseitige Erbhuldigung statt. Es wird also darauf ankommen, in-
wieweit man annehmen will, daß damals solche Hausverträge schon eine selbständige
rechterzeugende Kraft erworben hatten, so daß die Erfüllung der lehensrechtlichen Be-
dingungen nur mehr eine leere Form und ein Sicherheitsmittel bedeutete.22) Für unseren
Zweck dürfte es aber gleichgültig sein, wie diese Frage entschieden wird; denn eine Erb-
verbrüderung, die auf Teilung des Landes nach einem Drittel und zwei Drittel hinausläuft,
ist mit der Verfassung unvereinbar. Also ist durch die Verfassung die Erbverbrüderung
in diesem Punkte außer Kraft gesetzt. Da das aber ein sehr wesenslicher Punkt ist, so ist
die ganze Erbverbrüderung dahin gefallen. 25)
Den Erbverbrüderungen mit Hessen und mit den Ernestinern steht keines dieser Be-
denken entgegen. Wohl aber kommt bei ihnen nun erst recht die Schwierigkeit zum Vor-
schein, die jeder Erbverbrüderung eigen ist. Sie ist ihrer Natur nach ein Verhältnis von
Haus zu Haus; wenn das eine erlischt, tritt das andere an seine Stelle. Wie und durch
wen es dann diese Stelle ausfüllt, das ist seine Sache; das erloschene Haus hat sich für
diesen Fall weiter keine Sorge gemacht. Früher, als man die eigenen Lande noch teilte,
verfuhr man selbstverständlich mit den nachher anfallenden erbverbrüderten Gebieten in
20) Lünig, Reichsarchiv, Pars. spec., Abt. IV, Abs. 2, S. 84. »
21)UberdenHergang:Weiße,GeschichtederChursächfischenStaaten,IV,S.l92ff.
22) Löning, Die Erbverbrüderungen zwischen den Häusern Sachsen und Hessen und
Sachsen, Brandenburg und Hessen, 1867, ist, wie mir scheint mit guten Gründen, gegen die Gültig-
keit. A. M. Opitz, Staats-R. I S. 134, v. Römer, Staats-R. u. Statistik 1 S. 189; Leut-
hold, Staats-R. S. 224; zweifelhaft: Fricker, Grundriß S. 14. — v. Rönne-Zorn
1 S. 221 Note 3, behandelt vom preußischen Standpunkte aus den Vertrag an sich als gültig
mit Vorbehalt der verfassungsmäßigen Unteilbarkeit des preußischen Staates.
23) Mit einem bloßen Vorbehalt, daß die verfassungsmäßig unzulässige Bestimmung einfach
gestrichen, im übrigen die Erbverbrüderung aufrechterhalten werden soll (Opitz, Staats-R.
1 S. 135 Note 20; vgl. auch v. Rönne- ⅛ orn in der vorigen Note), ist hier wohl nicht aus-
zukommen. Jeder denkt dabei nur an den für seinen Staat günstigen Fall, auf den er doch nicht
verzichten möchte. Also Sachsen soll erben, wenn Hessen oder Brandenburg aussterben; wenn
eines der beiden einmal ausgestorben ist, ist zwischen den beiden Uberlebenden die Teilungsklausel
ohnehin beseitigt. Sachsen will nur nicht den Anfang machen und die Erbverbrüderung gerade
in dem Falle nicht gelten lassen, wo es zuerst ausstürbe. Nun machen es die anderen zwei — das
darf man doch nicht übersehen — ganz gerade so. Hessen und Preußen sind beide verfassungsmäßig
unteilbar. Es ist also gar keine Möglichkeit abzusehen, wie diese Erbverbrüderung je einmal zuerst
in Wirksamkeit treten könnte. Jeder sagt jetzt: sie gilt nicht, wenn sie mit mir anfangen will. Also
muß man doch ehrlicher Weise zugeben, daß sie überhaupt nicht mehr gilt.