Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

60 Zweiter Abschnitt: Der König und das Königliche Haus. § 9. 
  
trat, es ganz seine Sache war, wie es nun weiter ging; es konnte gemeinschaftlich lassen, 
teilen (ugl. oben Note 24), auch veräußern, an seine Kognaten geben: die alten Kognaten 
hatten überall nichts drein zu reden und dem erloschenen Hause war alles gleichgültig. 
Jetzt greift die Verfassung ein, aber unter staatlichen Gesichtspunkten, nicht wegen der 
bisherigen Kognaten. Sie verordnet unbedingte Unteilbarkeit, verordnet (§7 Satz 3), 
um diese zu sichern und die Thronfolge außer Zweifel zu stellen, auch für das neue „Säch- 
sische Fürstenhaus“ die Regeln der ordentlichen Thronfolge nach § 6 und der außerordent- 
lichen nach § 7. Möglicherweise ist eine der dort aufrechterhaltenen Erbverbrüderungen 
noch übrig geblieben; eine weibliche Linie im Sinne des §7 ist jetzt eine solche des 
neuen Fürstenhauses.) 
Eine „aus ebenbürtiger Ehe abstammende weibliche Linie“ muß es sein. 
Diese weibliche Linie stellt sich entweder dar unmittelbar in der Person einer sächsischen 
Prinzessin; dann ist die Forderung der ebenbürtigen Ehe, aus der sie abstammen soll, 
selbstverständlich; anderenfalls würde sie selbst niemals zum königlichen Hause gehört 
haben (Hausges. § 1, d). Oder es handelt sich um die Nachkommenschaft einer solchen Prin- 
zessin; dann ist die Forderung, daß diese Prinzessin selbst in ebenbürtiger Ehe vermählt 
gewesen sei, also in ein anderes hochadeliges Haus hineingeheiratet habe. Damit ist der 
Zusammenhang ihrer ganzen Linie mit dem sächsischen Haus genügend gewahrt. Die Forde- 
rungen, welche in bezug auf Rechtmäßigkeit und Vollgültigkeit an die diese Linie weiter 
fortpflanzenden Ehen zu stellen sind, richten sich nach den Ordnungen des fremden Hauses. 
Sobald die weibliche Linie in Frage kommt, wird der Kreis der agnatischen Geschlossenheit 
und streng einheitlichen Ordnung des sächsischen Hauses durchbrechbar. Den Gesichtspunk- 
ten der Blutsverwandtschaft, die jetzt entscheiden, genügen auch die fremden Ordnungen. 
Aus dem Kreise dieser Blutsverwandtschaft soll nun nach §7 Satz2, die 
Berufung zum sächsischen Throne so erfolgen, daß: „Hierbei entscheidet die 
Nähe der Verwandtschaft mit dem zuletzt regierenden Kö- 
nige, bei gleicher Nähe das Alter der Linie und in selbiger 
das Alter der Person“.20) 
29) Opitz, Staats--R. 1 S. 136, bemerkt mit Recht, daß der neue König aus dem erb- 
verbrüderten Hause „gegenüber dem Königreiche und dessen Untertanen verfassungsrechtlich in 
allen Stücken in diejenige Rechtslage eintritt, in welcher sich die Herrscher aus dem bisherigen 
Hause befunden haben“. Unrichtig Fricker, Grundriß S. 14 Note 2: „Aber die Sukzessions- 
ordnung in §6 und 7 bezieht sich doch nur auf das Albertinische Haus (trotz „Sächsisches Fürsten- 
haus"“ in §&6)“". Der neue König aus ernestinischem Stamm soll doch nicht etwa seine heimische 
Thronfolgeordnung mitbringen. Das duldet unsere Verfassung nicht. Der Ausdruck „Säch- 
sisches Fürstenhaus“ statt Albertinisches Haus oder Königlich Sächsisches Haus, in Abweichung 
von der bayrischen und hessischen Ausdrucksweise, scheint in §6 allerdings gewählt zu sein, um 
diese Thronfolgeordnung im voraus allen in § 7 vorgesehenen Möglichkeiten anzupassen. 
Opitz, Staats-R. I S. 137 und Note 2, will beim Aussterben auch des aus dem erb- 
verbrüderten Hause entnommenen Mannesstammes nach §7 nur eine „weibliche Linie des säch- 
sisch-meißnischen Fürstenhauses“ berufen. Anderer Meinung: Bülau, Verf. u. Verw. I S. 47. 
Für den letzteren spricht der Wortlaut. Wenn Opitz in Note 2 die Gefühlssaite rühren möchte 
zugunsten der weiblichen Linie „des angestammten Fürstenhauses“, so ist doch zu bedenken, wie 
sehr im Laufe einer vielleicht Jahrhunderte dauernden Zwischenherrschaft solche Kognaten den 
Zusammenhang mit der ursprünglichen Heimat der Stammmutter verlieren. Und die sollten 
dann gegebenen Falls die Tochter des letzten Königs ausschließen? Der Staat hat jedenfalls kein 
Interesse daran und der monarchische Sinn des Volkes fände in solchen Verschiebungen schwerlich 
eine Kräftigung. 
30) Es ist beachtenswert, daß die sächsische Formel für die Berufung der weiblichen Linie 
sich von der bayrischen sowohl wie von der württembergischen scheidet. Die Bayrische Verf.-Urk., 
Tit.II 85, dehnt einfach die Regeln der gewöhnlichen Thronfolgeordnung darauf aus, nur „daß
	        
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