Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

62 Zweiter Abschnitt: Der König und das Königliche Haus. 8 9. 
  
Diese Auffassung der fraglichen Vorschriften scheint mir auch durchgehends zu einem 
Ergebnis zu führen, wie es der Gesetzgeber verständigerweise hat beabsichtigen können. 
„Nach dem Übergange gilt wieder der Vorzug des Mannes- 
stammes in der Primogeniturordnung“ (Verf.-Urk. & 7 Satz 3). Beide 
Grundsätze waren ja, wie wir sahen, bei dem Übergange zur weiblichen Linie durchbrochen 
worden. Es gilt aber nicht bloß dieser doppelte Vorzug, sondern die ganze Thronfolge- 
ordnung unserer Verfassung gilt schlechthin mit Einschluß nötigenfalls auch der neuen 
außerordentlichen Thronfolge einer weiblichen Linie gemäß Verf.-Urk. &7; denn diese 
weibliche Linie ist hier wieder eine solche des jetzigen sächsischen Hauses, das aus der weib- 
lichen Linie des alten sächsischen Hauses sich neu erbaut hat, gerade so wie in dem vorhin 
zuerst betrachteten Falle der Erbverbrüderung aus dem Mannesstamme des erbverbrü- 
derten.“) 
§ 10. Die Rechtsstellung des Königs. Man pflegt die ganze Rechtsstellung des 
Fürsten nach drei Arten von Rechten einzuteilen, die ihm zustehen: Hoheitsrechte, 
Ehrenrechte und Vermögensrechte. Die Pflichten des Königs sind in 
der Hauptsache Gewissenspflichten und entziehen sich als solche unserem Blick. Durch 
das verfassungsmäßige Verhältnis zum Volke und zur Volksvertretung ist aber auch die 
Möglichkeit staatsrechtlicher Pflichten gegeben. So weit solche ausgebildet 
sind, bringen wir sie im Zusammenhang der entsprechenden Rechte zur Vorstellung. 
I. Die frühere Auffassung sah in der Gewalt des Fürsten eine Gesamtheit von ein- 
zelnen Hoheitsrechten, welche die Wissenschaft aufzuzählen und gehörig abzu- 
grenzen bemüht war. Jetzt hat der König einfach die ganze umfassende Staatsgewalt.1) 
Die verschiedenen Richtungen, in welchen sie sich äußert, werden wohl noch als Hoheits- 
rechte bezeichnet; das ist aber nur ein Einteilungsmaßstab, weiter nichts, gibt namentlich 
in keiner Weise eine Andeutung von bestehenden Rechtsgrenzen. Um jedes Mißver- 
ständnis auszuschließen, spricht man jetzt lieber von Regierungsrechten des 
Königs. Diese sind nichts anderes als die ganze Staatsgewalt, unter dem Gesichtspunkte 
betrachtet, daß sie dem König zu dienen hat bei seiner Regierung. 
1. In dem Augenblick, da der bisherige König aufhört es zu sein, vollzieht sich der 
Übergang der Regierungsrechte auf den durch die Regeln der Thronfolgeordnung Be- 
zeichneten. Man drückt das einfacher und richtiger dadurch aus, daß man sagt: er wird 
König. Denn in Wahrheit ist es die persönliche Eigenschaft König, Staatsoberhaupt zu 
sein, die auf solche Weise begründet wird. Die Regierungsrechte sind nur Ausflüsse davon. 
Man nennt den Vorgang Anfall der Krone doder, wie die Verf.-Urk. & 11 sich 
ausdrückt, der Thronfolge, Erwerb der Krone, Thronbesteigung. Der erste 
34) Der neugewonnene Herrscher kann hier auch eine Königin sein; hat diese nur eine Tochter, 
so setzt sich dieser anormale Zustand bei dieser als einer neuen weiblichen Linie des neuen Hauses 
fort; nur so bald als möglich muß die Thronfolge in die Erbfolge eines Mannesstammes über- 
gehen. 
Opitz, Staats-R. I S. 137, setzt den Fall voraus, daß der neue Herrscher nur Aszendenten 
und Seitenverwandte hinterließe, die würden dann, meint er, nur berufen sein, wenn sie zugleich 
„zur weiblichen Linie gehören“, d. h. also wohl zur weiblichen Linie des alten Hauses. Zu irgend- 
einer Linie des neuen Hauses gehören sie allerdings nicht. Es würde uns aber doch zu weit führen, 
alle Möglichkeiten auszu enken, die das Schicksal spielend bereiten kann, und dafür im voraus 
die Rechtsentscheidung zu geben. 
1) Der Ausdruck der Verf.-Urk. § 4 „vereinigt in sich alle Rechte der Staatsgewalt" klingt 
noch an das alte Sammelwerk von einzelnen Rechten an.
	        
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