8 10. Die Rechtsstellung des Königs. 63
Ausdruck ist der entsprechendste; denn irgendeine Handlung seiten des neuen Königs ist
dabei nicht erfordert. Auf die Regierungsfähigkeit kommt es nicht an; hier hilft die Re-
gierungsverwesung (unten §& 14).2)
Der Berufene wird aber auch nicht König gegen seinen Willen. Er kann auf die
Krone verzichten. Ein Verzicht kann hier in verschiedener Weise in Betracht kommen.
Der König, der durch den Anfall der Krone diese Eigenschaft endgültig erworben hat,
kann wieder darauf verzichten, die Krone niederlegen, abdanken. Die Verfassung
sagt nichts davon; aber es wurde überall und jederzeit für zulässig gehalten, das muß
genügen. 32) Es ist seit Einführung der Verfassung noch kein Fall vorgekommen. Jeden-
falls würde zu fordern sein, daß eine Willenserklärung vorliege, abgegeben mit all der
Freiheit, die das Recht im allgemeinen für die Gültigkeit von Rechtsgeschäften verlangt.
Der Ordnung halber wird auch eine gewisse Form beobachtet werden müssen, die diesen
Willen als ernsthaft und zweifelsfrei erweist. So ganz einfach in die facta concludentia
kann man derartige Dinge nicht stellen.") Dieser Verzicht ist, neben dem Tod des Königs,
die einzige Art, wie im Sinne der Verfassung der Thron erledigt und die Berufung eines
neuen Königs in Gemäßbeit der Thronfolgeordnung stattfinden kann. Daß daneben noch
andere Fälle denkbar sind, wie ein König wegfällt und ein Ersatz nötig wird, kann nicht
bestritten werden, sie sind aber rechtlich nicht vorgesehen.)
Etwas anderes als solcher Verzicht auf die bisher getragene Krone, die Abdankung,
ist der Verzicht auf die anfallende, die Ausschlagung der Krone. Der bis-
herige König ist weggefallen, die Thronfolge eröffnet, aber der dadurch Berufene erklärt,
2) Opitz, Staats-R. 1 S. 138 Note 2, will noch das christliche Bekenntnis zu einer Be-
dingung der Sukzessionsfähigkeit machen. Sein Grund, daß „der Staat ein christlicher ist“, wird
vielen Christen nicht einleuchten. Seine Verweisung auf v. Römer, Staats-R. und Statistik I
S. 192, ist unzutreffend.
3) v. Frisch, in seiner sehr verdienstlichen Schrift: Der Thronverzicht, S. 73, begründet
die unbedingte Zulässigkeit der Abdankung mit dem Axiom: „Der Monarch ist Staatsorgan und
kann wie jedes Organ seine Stellung aufgeben.“ S. 14 hat er festgestellt, daß gewisse Mitglieder
der sächsischen ersten Kammer auf ihre „Organstellung“ nicht verzichten können. Es scheint mir nicht,
daß aus dem Begriffe des „Organ"“ heraus hier wie anderwärts irgend etwas zu erklären ist. —
Die Auffassung hat ja wohl gewechselt. Ursprünglich als die Landeshoheit rein privatrechtlich auf-
gefaßt wurde, mußte ein Verzicht selbstverständlich zulässig sein. Später kommen die Versuche,
öffentlichrechtliche Verhältnisse durch Unterwerfungsvertrag usw. zu begründen, da wurde der Ver-
zicht wieder unzulässig wegen des Rechts des Vertragsgegners; so Klüber, Offentliches Recht des
Deutschen Bundes und der Bundesstaaten # 256. Jetzt ist man auf der nüchternen Erwägung
angekommen, daß gegen den regierungsfähigen Fürsten ein Zwang, tätig zu werden, nicht geübt
werden kann, wie das beim Schöffen und Geschwornen versucht wird; daß andererseits nicht möglich
ist, von seiner Tätigkeit abzusehen, wie man das beim Wähler machen kann. Also muß man ihn
verzichten lassen. Das ist auch der Standpunkt von Seydel, Bayr. Staats-R. I S. 202. Zu
dem gleichen Ergebnisse führt die Erwägung, daß es sich hier um ein Recht des Königs handelt,
ein Recht auf seine Stellung als Staatsoberhaupt; diesem Recht entspricht nur eine moralische
Pflicht, es nicht ohne triftigen Grund zu verschmähen; darüber entscheidet aber der Verpflichtete.
Das Recht muß also frei verzichtbar sein, wie das in der Natur des Rechtes liegt. Daß wir es jetzt
als öffentlich-rechtlicher und nicht mehr als privatrechtlicher Natur ansehen, macht in dieser Hinsicht
keinen Unterschied. -
4) Gegenzeichnung der Minister ist nicht erforderlich; es handelt sich nicht um einen Regierungs-
akt: v. Frisch, Thronverzicht, S. 74 ff.
5) Bülau, Verf. u. Verw. I S. 106 ff., stellt neben die ausdrückliche „Entsagung“ eine
stillschweigende, die dann Platz greifen soll, wenn der König seine Schuldigkeit nicht tut: das Ver-
fassungsgelöbnis nicht ablegt, seinen wesentlichen Aufenthalt außer Landes nimmt, Regent eines
auswärtigen Staates wurde. In Wahrheit wären das Rechtsverwirkungen. So hat seiner Zeit Hugo
Grotius, unter Milderung der Lehren der Monarchomachen, mancherlei stillschweigende
„abdicationes“ angenommen, die doch nur Verwirkungen bedeuteten (de jure belli et pacis I,
4, #9 ff.). Darauf können wir nicht zurückkommen.