II. Staatsgut und Kronrente. 77
Das Gericht kann das persönliche Erscheinen des Königs nicht anordnen; die Bestim-
mungen des 6. und 7. Buchs der Z. Pr. O. (Ehesachen und Mahnverfahren) finden keine
Anwendung auf ihn. 35) .
EinZwangsvollstreckungsverfahrengegendenKönigfindetnichtstatt.40
Für Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die den König angehen, ist ein Zivilsenat
des Oberlandesgerichts zuständig. ) «
§ 11. Staatsgut und Kronrente. Dem Landesfürsten standen vor der Verfassung
große Vermögensmittel zur Verfügung; ihm gehörte, was den Staatszwecken unmittelbar
gewidmet ist, das Verwaltungsvermögen, wie wir es jetzt nennen, ihm
gehörte vor allem auch das nutzbare Grundvermögen, dessen Erträgnisse zu verwenden
waren, Domänen oder Kammergüter genannt. Das alles hielt er durch
sein Beamtentum in einer festgeordneten Verwaltung. Im Gegensatz dazu hieß Ver-
mögen, das er sich zu beliebiger Verfügung für persönliche Zwecke vorbehalten hatte, das
Schatullxgut. Dieses war reines Privatvermögen. Jene ersteren Massen aber be-
zeichnete man, da sie dem König nur als solchem und als Haupt des sächsischen Fürsten-
hauses zustanden, als königliches Haus= oder Familiengut oder auch,
mit Rücksicht auf ihre Verwaltung und Verwendung, als Staatsgut.i
Dem gegenüber stand eine andere Art öffentlichen Gutes, solches, das von den Stän-
den abhing: das Dresdener Landhaus vor allem und die Steuergelder, die sie unter
ihrer Verwaltung hielten.?)
Die Verfassung nun beseitigt diesen Gegensatz, bringt aber alle Verfügung über das
—–—
Ist er verantwortlich für die Wahrheit? Hat er Erkundigungspflicht? Jedenfalls faßt das Gesetz,
F es den König davon befreit, den Eideszwang als eine Verletzung der Heiligkeit seiner
erson auf.
39) Nachtrag § 5 u. 8 6. Daß der König nicht zeugnispflichtig ist, bestimmt Nachtrag § 6 Abs. 3
ausdrücklich; es versteht sich aber von selbst und gehört überhaupt nicht in diesen Zusammenhang.
40) Nachtrag § 9 macht nur gewisse Zwangsvollstreckungshandlungen gegen Mitglieder
des königlichen Hauses von der Genehmigung des Königs abhängig. Wenn er vom König selbst
schweigt, so ist der Grund nur der, daß eine Zwangsvollstreckung, die diesen immerhin erniedrigen
würde, eben deshalb gegen den König überhaupt nicht möglich ist.
41) Ges., die Ergänzung und Anderung des Kgl. Hausges. betr. vom 6. Juli 1900, 5 18.
1) v. Römer, Staats-R. und Statistik II S. 280 ff., S. 293:; Weiße, Staats-R. II
S. 149 ff. Im 18. Jahrhundert hatte man eine Zeitlang auch in Sachsen versucht, eine Unver-
äußerlichkeit des „Staatsguts“ zu behaupten nach Vorbild der französischen domanialité: Schreber,
Abhandlung von Cammergütern und Einkünften 1759, S. 14; Moser, Von der Reichsstände
Landen S. 204 ff. Auf die angebliche Gebundenheit den Agnaten gegenüber, weshalb Mangels
ihrer Zustimmung Veräußerungen des Vorgängers in der Landeshoheit im Wege der „Revoka-
tion“ anfechtbar gewesen wären, braucht nicht eingegangen zu werden; die Stände wehrten sich
dagegen wegen der Schädigung des Kredits des Landes und so ist es zu keiner Anerkennung des
Grundsatzes gekommen. Den Ständen gegenüber war der Landesherr in seiner Verfügungs-
befugnis über dieses Gut in keiner Weise gebunden: Schneider, Über Cammergüter und Civil-
listen deutscher Fürsten mit besonderer Beziehung auf die Sächsischen Regenten, 1831, S. 25 ff. —
Löbe, Staatshaushalt des Kgr. Sachsen, S. 89: „Solange der Landesherr alle Rechte der Staats-
gewalt unbeschränkt in seiner Person vereinigte, flossen .. landesherrliches und staatliches Ver-
mögen zusammen.“ Das galt bis zur Verf.-Urk. Löbe moöchte allerdings annehmen: es habe
ein selbständiges Staatsvermögen schon angefangen „bis zu einem gewissen Grade sich heraus-
zubilden“, seitdem die Landstände Steuern selber erhoben und verwalteten „und sich daher noch
weiter feststellen ließ, ob und welche Vermögensgegenstände unmittelbar aus Steuereinkünften.
herrührten.“ Ich kann aber nicht sehen, daß dieses Herrühren für das Eigentum des Landesherrn
und sein Recht, darüber zu verfügen, einen Unterschied gemacht hätte.
2) Vgl. oben §+ 3, Nr. 7. — Moser, Von der Reichsstände Landen S. 802 ff. — Staats-
gut nannte man das nicht; die Staatsidee hatte sich ausschließlich dem Fürsten an die Seite gestellt.
Dafür ging gerade die Verschmelzung des ständischen Vermögens mit dem neuen Staatsgut
der Verfassung desto glatter vor sich.