Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

88 Zweiter Abschnitt: Der König und das Königliche Haus. 8 II. 
  
Ständen abzuschließender Vertrag betrachtet wurde (vgl. oben § 3 S. 7). Nach 
dem Regierungsentwurf sollte in diesem Vertrag auch die ein für allemal „verglichene" 
Kronrente enthalten sein. Die Verf.-Urk. läßt, dem Vorschlage der Stände ent- 
sprechend, dieses Stück des großen Vertrages nur für die Dauer der Regierungszeit 
des jeweiligen Königs gelten, damit es mit jedem König immer wieder von neuem ab- 
geschlossen werde. 
Damit ist auch der Standpunkt gegeben für die Frage: was wird, wenn einmal die 
notwendige Einigung des neuen Königs mit der Volksvertretung nicht zustande kommt? 
Es steht alsdann einfach „im alten Recht“, geradeso wie es bezüglich der ganzen Ver- 
fassungsneuordnung gegangen wäre, wenn damals König und Stände sich nicht geeinigt 
hätten. Der König würde also, wie vor der Verfassung, selbst zu bestimmen haben, was 
für seinen Hofbedarf erforderlich und aus Staatsgeldern dafür zu verwenden ist. Recht- 
lich ist das die einzig richtige Lösung. Der König hat Gründe genug, es nicht dazu kommen 
zu lassen und auf sein formelles Recht sich nur dann zu berufen, wenn er darauf rechnen 
kann, daß sein Volk ihn versteht.4) 
Die Verf.-Urk., &J22 Abs. 3, hat dem König noch ein besonderes Sicherungsmittel 
zugestanden. Wenn die Stände einmal dem neuen König nicht mindestens eine Rente 
von 500 000 Talern (Höhe der damals für König Anton bedungenen Kronrente) bewilligen 
würden, so soll der König die Nutzungen der Kammergüter wieder an 
sich ziehen dürfen. Dies ist ein scharfes Zwangsmittel, das freilich schon durch sein 
bloßes Vorhandensein so wirkt, daß es niemals zur Anwendung kommen kann, weil die 
Voraussetzungen vernünftigerweise nicht gegeben werden. 
Diese Voraussetzungen sind aber in das richtige Verhältnis zu der ganzen Ordnung 
der Kronrente zu bringen. Selbstverständlich entfällt die Rücknahme, wenn der König 
in eine niedrigere Rente als 500 000 Taler einwilligt. Andererseits muß der König sich 
auch nicht einfach zufrieden geben, wenn die Stände 500 000 Taler gewähren wollen; 
nur die Nutzungen der Kammergüter sind für diesen Fall dem Staate gewahrt; denn die 
Verf.-Urk. verlangt nicht, daß diese 500 000 Taler „verabschiedet“, d. h. vereinbart seien, 
es genügt, daß die Stände sie „bewilligen“ d. h. anbieten. Dem König ein solches Ver- 
wurfs der Verfassungsurkunde ausgedrückte Vertragsverhältnis zu berücksichtigen“ (Landt.-Akten 
1831 Bd. 4 S. 2242 f.). Der § 19 Abs. 2 des Entwurfes nannte eben die festgestellte Kron- 
rente „diese verglichene Summe“. Die ständische Schrift v. 27. August 1831 (Landt.-Akten 1831 
IV S. 2285) sprach nur die dankbare Annahme der allergnädigsten Erklärung aus, daß die 500 000 
Taler allezeit als ein genügendes Aquivalent angesehen werden sollten. — Vgl. auch v. Witzle ben, 
Entstehung der konst. Verf. S. 274. 
24) Opitz, Staats-R. 1 S. 203, 204, zieht hier wohl allzu scharfe Folgerungen: „Es ist 
verfassungsmäßig Pflicht der Stände“, meint er, „eine entsprechende Zivilliste zu verwilligen. 
Wird diese Bewilligung verweigert, so involviert dies von seiten der Stände eine Verletzung der 
Verfassung, die, wenn von seiten des Königs alle Mittel zu deren Beseitigung erschöpft worden 
sind, denselben berechtigen würden, seine bei Errichtung der Verfassung erteilten Zusagen zurück- 
zunehmen und die Verfassung zu suspendieren oder aufzuheben.“ — Das geht zu weit. Was 
ist denn eine „entsprechende“ Kronrente? Darüber wird man wohl einmal verschiedener Meinung 
sein können. Es ist keine Verfassungsverletzung, wenn die Stände nicht „verwilligen“, was der 
König für entsprechend hält. Andererseits kann für den König nicht schlechthin maßgebend sein, 
was sie für entsprechend halten. Es kommt dann eben die von der Verfassung erhoffte Verein- 
barung — Pflicht zur Vereinbarung gibt es doch wohl nicht — nicht zustande. Die Folge davon 
ist aber nicht, daß die Verfassung überhaupt aufgehoben werden kann, sondern nur, daß der König 
in diesem einen Punkte seine ursprüngliche Freiheit wieder gewinnt — allerdings mit der in der 
Sache liegenden Aufgabe, möglichst bald wieder zu einer annehmbaren Gebundenheit zu ge- 
angen.
	        
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