102 " Grundzüge der Verwaltungsrechtsordnung.
Man hat die Verwaltungsakte unter diesem Gesichtspunkte
eingeteilt in Entscheidungen, wenn die Behörde nur tut, was
der Richter tut, den Willen des Gesetzes für den Einzelfall er-
klärt, und Verfügungen, wenn sie von eigener Willens-
entschließung dabei Gebrauch zu machen hat!®. In ihrer Art zu
wirken, sind beide gleich.
3. Die richterliche Entscheidung spricht nicht bloß aus,
was nach dem Gesetz für diesen Fall Rechtens ist, sondern bestimmt
zugleich, wie die Obrigkeit sich nun demgemäß verhalten soll,
leitet damit über zur Vollstreckung oder versagt sie (Leistungs-
und Strafurteil). Sie kann auch auf das erste Stück sich
beschränken (Feststellungsurteil). Sie kann umgekehrt,
wenn die Feststellung einen Anspruch auf Rechtsänderung zum
des Verwaltungsaktes“. Vielleicht wäre es genug zu sagen, daß diese Freiheit
auch im Wesen des Verwaltungsaktes liegt, neben der Möglichkeit, gebunden
zu sein. Die Freiheit besteht darin, daß gehandelt wird aus eigner Erwägung
des Gemeinwohls nach dem, was der Handelnde als den allgemeinen Gesichts-
punkten der Verwaltung entsprechend selber erkennt und wählt. Mit dem da-
mit gegebenen Gegensatze zur gebundenen Entscheidung kann man, wo er von
Wichtigkeit wird, wohl auskommen. Bernatzik, Rechtspr. und mat. Rechts-
kft. S. 8, bestimmt den Begriff der Entscheidung ganz richtig als Anwendung
einer abstrakten Rechtsnorm auf den Einzelfall, erkennt aber dann (S. 46) als
solche Rechtsnorm auch schon an die Pflicht, nach bestem Wissen zu tun, was
das öffentliche Wohl erheischt, anders ausgedrückt, den großen Rechtssatz:
„Tue was du glaubst, daß es durch das öffentliche Wohl bedingt sei“ (S. 3, 39,
46). Das ist natürlich kein Rechtssatz, sondern die subjektive Beamtenpflicht
gemäß dem eingegangenen Dienstverhältnis. Aber Bernatzik, der an diesen
Rechtssatz glaubt, hat dadurch auch das freieste Ermessen zu einem gebundenen
gemacht, und damit nun nicht alles Entscheidung wird, sucht er ein noch freieres,
ganz „unüberprüfbares“ Ermessen auszuscheiden, das „technische“ oder „dis-
kretionäre“. Daraus hat sich nun ein großer Schriftenwechsel ergeben über
das sogenannte „Problem der Ermessenslehre“: Bernatzik, Rechtskraft S.36 ff.;
Tezner, Zur Lehre von dem freien Ermessen (Sep.Abdr. aus Allg. Östr. Ger-
Zeitung); Bernatzik, in Grünh. Ztschft. XVIII S. 148; Tezner, in Grünh.
Ztschft. XIX S. 327ff.; v. Laun, d. freie Ermessen 1910; Tezner, in Jahrb.
d. öff. R. 1911 S. 73 ff.
15 So G. Meyer-Dochow, deutsch. Verw.R. 4. Aufl. S.44. — v. Laun,
Freies Ermessen S. 37, widmet mir zunächst einige Mißverständnisse und glaubt
mich dann zu schlagen durch die Bemerkung, es gäbe „zweifellos im Ver-
waltungsrecht zahlreiche Verfügungen, welche vollständig von Rechtssätzen be-
herrscht werden“. Wenn ein solcher Akt vorliegt, darf ich ihn selbstverständ-
lich nicht Verfügung nennen; ich tue es aber auch nicht. Der Umstand,
daß v. Laun ihn doch so nennen möchte, kann hier nicht maßgebend sein.
Daß man häufig überhaupt keinen festen Begriff mit dem Worte verbindet, ist
ja richtig.