$ 11. Das Verwaltungsrechtsinstitut und die Scheidung vom Zivilrecht. 117
scheinung der Öffentlichen Gewalt. Und alles das gibt
unsere Rechtsinstitute.
Die Verwaltungsrechtswissenschaft ist aber eine junge Wissen-
schaft, ganz im Gegensatze zur Zivilrechtswissenschaft, die in
sicherem Besitze steht. Ihre Rechtsinstitute kann sie nur heraus-
arbeiten in beständigem Kampfe mit einem großen Gegner: das
ist unsere eigene Vergangenheit, die Rechtsanschauung des
Polizeistaates.
Der Polizeistaat kannte natürlich kein Verwaltungsrechts-
institut. Außerhalb des Zivilrechts herrscht die Allgewalt der
Behörden. Der Wille der Obrigkeit ist dem Untertanen schlechthin
Befehl; weiter zu unterscheiden hat keinen Zweck. Erst mit
der Entwicklung des Rechtsstaates wird es bedeutsam, fest-
zustellen, was gewollt werden konnte, was dadurch rechtlich ge-
wirkt ist, was auf Grund davon weiter geschehen kann. Das
Rechtsbewußtsein wird empfindlich für alle feineren Unter-
scheidungen. Der obrigkeitliche Befehl wird ein bestimmt um-
grenztes Rechtsinstitut, in sich selbst wieder nach Arten zerlegt,
und erhält an seine Seite gestellt verschiedenartige Formen obrig-
keitlicher Einwirkung, die in ihren rechtlichen Besonderheiten
den ganzen Reichtum der Erscheinungsformen der öffentlichen
Gewalt zur Entfaltung bringen !.
Andererseits fällt jetzt die übermäßige Ausdehnung weg, die
der Polizeistaat notgedrungen dem Zivilrecht gegeben hatte.
Für diese Verhältnisse kann der Staat jetzt eine zuverlässige
Rechtsordnung erhalten, auch ohne zum gewöhnlichen Privatmann
gemacht zu werden. Das Verwaltungsrecht bildet dafür eine
zweite Gruppe seiner Rechtsinstitute. Sie führen zum Teil die
alten Namen: Eigentum, Grunddienstbarkeit, FEigentumsbeschrän-
kung, Dienstvertrag, Entschädigungs- und Erstattungsanspruch.
Der Zusatz „öffentlich“ oder „öffentlichrechtlich“ weist jeweils
darauf hin, daß die Übereinstimmung mit dem zivilrechtlichen
Urbild nur eine Außerliche ist, das Rechtsinstitut vielmehr auf
dem Boden einer anderen Rechtsart steht, wo alle Einzelheiten
nach den Gesichtspunkten der Beteiligung der Öffentlichen Gewalt
und der Ungleichheit der Rechtssubjekte sich gestalten müssen ?®.
ı Wie groß der Fortschritt der Entwicklung ist, bezeugt am besten Laband,
St.R. 1. Aufl. II S. 216, ders. in Arch. f. öff. R. II S. 160 und St.R. 5. Aufl. II S. 192.
.* Das Haupthindernis ist hier der alte polizeistaatliche Satz, der den ein-
seitig zivilrechtlich gebildeten Juristen nicht aus dem Kopfe will, daß ver-
mögensrechtliche Beziehungen selbstverständlich immer auch privatrechtliche