Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

128 Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen. 
Prüfung der Sache eintreten zu lassen und demgemäß Bescheid 
zu erteilen. Eine Dienstvorschrift kann ihr das vorschreiben; aber 
das genügt nicht. Die Gebundenheit muß eine rechtliche sein 
dem Einzelnen gegenüber; es bedarf eines gesetzlichen oder 
verordnungsmäßigen Rechtssatzes dieses Inhaltes. 
Dadurch entsteht für den Einzelnen ein entsprechendes subjek- 
tives Öffentliches Recht, als Macht über diese Tätigkeit der öffent- 
lichen Gewalt, das Beschwerderecht. Dasselbe ist seiner 
Natur nach dem Klagerecht nahe verwandt. Die darauf gegründete 
Beschwerde bezeichnen wir im Gegensatz zu der aus dem Be- 
hördenüberordnungsverhältnis von selbst sich ergebenden als die 
förmliche Beschwerde®. — 
In ähnlicher Weise tritt auch neben die einfache Gegen- 
vorstellung ein Antrag, den die beschließende Behörde zu prüfen 
gebunden ist, um je nachdem ihren Beschluß zurückzunehmen 
oder zu unterlassen, der Einspruch mit dem dahinterstehenden 
Einspruchsrecht”. 
Il. Der Name förmliche Beschwerde rechtfertigt sich 
daraus, daß mit dem Beschwerderecht, auf das sie sich gründet, 
von selbst gewisse rechtliche Bestimmtheiten des Ver- 
fahrens, zu beobachtende Formen sich verbinden, welche der 
einfachen Beschwerde fremd sind. Man nennt sie auch wohl die 
formelle Beschwerde und jene die formlose. 
1. Insofern die einfache, formlose Beschwerde nur wirkt wie 
6 Es handelt sich um ein Mitwirkungsrecht des Untertanen von der 
oben $ 10, II n. 2 beschriebenen Art. So auch Herzog, Rechtsmittelverf. in 
Steuersachen S. 29 u. 30. — Der absolutistische Staat hatte seinen Untertanen 
die Beschwerdeführung gern durch allerlei Unannehmlichkeiten verleidet. So 
kommt es, daß man jetzt noch von einem Beschwerderecht spricht in dem 
Sinne, daß einem solches nicht mehr widerfahren soll: Roenne, St.R. d. Pr. 
Man. 11 S. 176fl.; Roenne-Zorn 11 S. 8; Stier-Somlo, in Wörterb. I 
S. 432, Art. Beschwerde. Loening, Verw.R. S. 794, knüpft an dieses „Recht“ 
der Beschwerde unmittelbar die Pflicht der Behörden zu prüfen und zu be- 
scheiden. Das geht zu rasch. — Eine viel gebrauchte Ausdrucksweise stellt 
„verwaltungsbeschwerde“ und „Rechtsbeschwerde“ einander gegenüber. Das 
ist aber nicht unsere Unterscheidung. Vielmehr versteht man unter Rechts- 
beschwerde eine solche, die sich auf behauptete Rechtsverletzung gründet: 
Sarwey, Allg. Verw.R. S. 152; Ulbrich, Österr. Verw.R. S. 306; Jellinek, 
Subj. öff. R. S. 131; Tezner, Österr. Adm. Verf. S. 252. Der letztere bemerkt 
zutreffend, daß die Art des Beschwerdegrundes für unser Rechtsinstitut keine 
grundlegende Bedeutung hat. 
” Ulbrich, Österr. Verw.R. S. 305; Parey, Pr. Verw.R. I S. 180: 
Friedrichs, Zuständigk.Ges. zu $ 10 Anm. 7.
	        
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