$ 13. Begriff der Verwaltungsrechtspflege. 135
Begriffsbestimmungen, mit welchen die Lehre von der Verwaltungs-
rechtspfiege eingeleitet zu werden pflegt, auf lange hinaus der
Schutz des subjektiven Rechtes als ihr erster Zweck und wesent-
liches Merkmal oben ansteht.
Wenn man aber ursprünglich ganz unbefangen angenommen
haben mag, daß das subjektive Recht in der Verwaltung die gleiche
alles beherrschende Rolle spiele wie im Privatrechtsverkehr, so
erwies sich das sehr bald als unhaltbar. Die „öffentlichen Rechte“
wurden eine schwierige Frage (vgl. oben $ 10) und schienen jeden-
falls der Verwaltungsrechtspflege kein gesichertes und genügend
ausgedehntes Feld zu bieten. Daher der Satz mit immer größerer
Entschiedenheit in den Vordergrund tritt: die Verwaltungsrechts-
pflege kann auch bloß dem objektiven Rechte dienen, der
aufrecht zu erhaltenden Rechtsordnung, und dadurch mittelbar
den durch diese geschützten Interessen, die nicht notwendig die
bestimmte Form von subjektiven Rechten an sich tragen®. Es
genügt, daß sie auf die eine oder andere Weise Rechtsprechung
sei, gehalten, nur auszusprechen, was im Einzelfalle schon
Rechtens ist. Das macht aber auch ihr Wesen aus. Den Gegen-
satz einer derartigen Gebundenheit bildet der Fall, wo die Be-
hörde ihren Willensentschluß zu finden hat mit freiem Er-
messen. Und so wird denn das, was man als zum Wesen der
Verwaltungsrechtspflege gehörig aufstellt, von der Kehrseite her
zum Ausdruck gebracht mit dem Satze: Akte des freien Er-
messens können nicht Gegenstand der Verwaltungs-
rechtspflege sein’.
® G. Meyer, Verw.R. (1893) I S. 46 Note 2: „Die herrschende Meinung
geht davon aus, daß die Verwaltungsgerichtsbarkeit lediglich zum Schutze
subjektiver Rechte berufen sei.” Gluth, in Arch. f. öff. R. III 8. 570 u.
Note 5; Sarwey, Öff. R. u. Verwaltungsrechtspfl. S. 406.
* Den Übergang erleichtert man sich, indem man nach dem Vorgange
Jherings überall, wo die Rechtsordnung Interessen schützt, auch ein sub-
jektives Recht annimmt: Sarwey, Öff. R. u. Verwalt. R. Pf. S. 79; Leut-
hold, in Annalen 1884 S. 495 f.; Loening, Verw.R. S. 796 ff. — Bei
G. Meyer, Verw. R. (1893) I S. 46 erscheint der Schutz auch des objektiven
Rechtes als eine besondere Zugabe zu dem eigentlichen Zweck der Ver-
waltungsgerichte. Ausschließlich auf den Schutz der Rechtsordnung ist die
Einrichtung abgestellt bei Gneist, Rechtsstaat S. 270, S. 271; Bornhak,
Preuß. St.R. 1I S.407. Auch Laband wird dahin zu rechnen sein (St.R. Ill
S. 379 f.).
5 Seydel, Bayr. St.R. II S. 440; v. Lehmayer, in Grünh. Ztschft. IV
S. 752; Bernatzik, Rechtskraft S. 37; Laband, St.R. II S. 179: „Die Ge-