136 Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen.
Neben dieser Ausbildung der Theorie ging nun aber die
Gesetzgebung ihren eigenen Weg mit der Bestellung von Ver-
waltungsgerichten und immer reicherer Verwendung der Ver-
waltungsrechtspflege. Sie wählte dafür die Gegenstände aus, wie
sie es für sachgemäß und zweckentsprechend hielt.
Der Theorie wurde dabei in Motiven und Verhandlungen manche
Anerkennung gezollt. In mehreren dieser Gesetze hat man auch
den Satz: „Akte des freien Ermessens gehören nicht in die Ver-
waltungsrechtspflege*, förmlich ausgesprochen und durchzuführen
unternommen ,
Es muß auch gesagt werden: die Rechtsprechung in dem hier
betonten Sinne ist ihrer Natur nach gewiß ganz hervorragend
dazu geeignet und berufen, in so besonderer Weise behandelt zu
werden, wie die Verwaltungsrechtspflege das bedeutet, ausgeschieden
von dem alltäglichen Gang der Verwaltung, in einem förmlichen
Verfahren und womöglich vor eigens dazu geschaffenen Behörden.
Aber alles das reicht nicht hin, um den Begriff der Ver-
waltungsrechtspflege festzulegen. Dazu wäre es notwendig, daß
das Seitenstück der Zivilrechtspflege, das wir so nennen, nach der
Art, wie es im geltenden Rechte sich darstellt, solche Recht-
sprechung stets ausschließlich zum Inhalt habe. Und das
ist offensichtlich nicht der Fall.
Akte des freien Ermessens sind oft, vielleicht meistens, aber
doch keineswegs unbedingt von der Rechtspflege ausgeschlossen.
Das ist nicht einmal in der Zivilrechtspflege immer so
(vgl. oben $ 9 Note 13).
In unvergleichlich reicherem Maße umfaßt die Verwaltungs-
rechtspflege Akte des freien Ermessens. Das ist vor allem
nach der Preußischen Gesetzgebung der Fall und zwar in so un-
verkennbarer Weise, daß die Tatsache selbst, wenn auch getadelt,
doch nicht bestritten wird’. Aber selbst wo das Gesetz Er-
bundenheit liegt im Wesen der Entscheidung“ (nach S. 177 gleichbedeutend
mit Rechtsprechung, Urteil).
6 Bayr. Ges. v. 8. Aug. 1878 Art. 13 Ziff. 3; Bad. Ges. v. 14. Juni 1884
84 Abs.4; Württ. Ges. v. 16. Dez. 1876, Art. 13 Ziff. 3; Sächs. Ges. v. 19. Juli
1900 8 76.
? Die zahlreichen Fälle, in welchen das zutrifft, hat O. Mueller, Begr.
d. Verw.R.Pfl. S. 11 ff., schr gut zusammengestellt und erläutert. — Die Be-
dürfnisfrage nach Gew.Ord. $ 33 Abs. 3 ist zweifellos eine Frage des freien
Ermessens, deshalb nach bayrischem Rechte, seinem allgemeinen Grundsatze
gemäß, von der Verwaltungsrechtspflege ausgeschlossen (V.G.H. 16. März 1880;
Saınml. I S. 185; Dyroff, V.G. Ges. zu Art. 8 Ziff. 8 Anm. 5); nach Preuß.