Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

$ 13. Begriff der Verwaltungsrechtspflege. 139 
Entstehungsweise des obrigkeitlichen Aktes allein ist das 
Wesen der Verwaltungsrechtspflege zu suchen. 
II. Die Zivilrechtspflege hat die Art, wie sie ihren obrigkeit- 
lichen Akt, das Urteil, hervorbringt, von jeher mit Formen und 
Rechtsbedingungen reichlich ausgestattet. Die Verwaltungsrechts- 
pflege, der sie nach dieser Seite hin zum Vorbild gedient hat, 
fand da verschiedenes zu übernehmen und hat ces auch mehr oder 
weniger übernommen. Es fragt sich nur: was ist für sie der 
Kern und das Wesentliche davon ? Zweierlei kommt in Betracht: 
Für das Zivilurteil ist vor allem eigentümlich die Art der Be- 
hörde, von der es erlassen wird: das eigens dazu bestellte 
Gericht, mit den besonderen Garantien riehterlicher Un- 
abhängigkeit ausgestattet. Die Verwaltungsrechtspflege hat in 
bewußter Nachahmung dieses Vorbildes ganz entsprechende V\Ver- 
waltungsgerichte bestellt bekommen. Doch daran allein kann der 
Begriff nicht hängen !?. Man hat ja, wie eben die Zweckmäßigkeit 
es mit sich brachte, auch Verwaltungsrechtspflege eingerichtet, 
die von gewöhnlichen Verwaltungsbehörden gehandhabt wird, neben- 
bei, ohne daß für ihre Sonderstellung und für die Sicherung ihrer 
Unabhängigkeit irgendwelche Vorkehrung getroffen wäre. Und 
was sie machen, ist dennoch richtige Verwaltungsrechtspflege ". 
Umgekehrt gibt es Verwaltungsbehörden, denen ganz die amtliche 
Stellung der Gerichte gegeben ist, Unabhängigkeit, so viel man 
nur will, und Sonderung von den Getriebe des gewöhnlichen Ver- 
waltungsgeschäfts; dahin gehören namentlich jene „Beschluß- 
behörden®, welche die neuere Gesetzgebung in die Verwaltungs- 
behördenordnung hineingestellt hat, um durch das in ihnen 
vorwiegende Ehrenamt eine gewisse Selbständigkeit des obrigkeit- 
12 Die Forderung wegen des unabhängigen Gerichts pflegt denn auch 
mehr aushilfsweise hinzugefügt zu werden, wo die soustige Begriffsbestimmung 
fühlbar nicht ausreicht: Sarwey, Öff. R. u. Verw.R.Ptl. S.4, S.85; Lovening, 
Verw.R. S. 797; Anschütz, in Kult. d. Gegenw. Il, 8 S. 348; v. Brauchitsch, 
Verw.Ges. (1. Aufl) 1 S. 156. Vgl. auch O.V.G. 10. Mai 1876 (Entsch. I 
S. 288. — Eine gewisse richterliche Unabhängigkeit dürfte sich wohl von 
selbst aus dem Wesen der Rechtspflege ergeben (vgl. unten $ 14 Note 8; 
ähnlich Friedrichs, in Verw.Arch. VI S. 336; Neukamp, in Arch. £. 
öfl. R. IV S. 544). Dieses Wesen an sich erklärt sich dann natürlich nicht 
aus ihr. 
13 Verwaltungstericht ist auch der bayrische Bezirksamtmann (Reger- 
Dyroff, Kom. z. Ges. v. 8. Aug. 1878, Art. 9 Note 3). Die Sachlage wird gut 
beleuchtet vom Süchs.Ges. v. 17. Juli 1900 $ 2 Abs. 2: „Werden die Kreis- 
hauptmannschaften als Verwaltungsgerichte tätig, so haben sie sich als solche 
‚zu bezeichnen.“ Sonst ändert sich an ihnen nichts.
	        
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